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KulTOUR: Die Silbenspielerin

Die polnische Autorin Iwona Mickiewicz las im Peter-Huchel-Haus

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Wilhelmshorst - Mensch oder Werk, mochte sich mancher vergangene Woche nach zwei Lesestunden mit der polnischen Autorin Iwona Mickiewicz fragen, denn was sie, auf Deutsch, mit gleichmütiger Stimme, an Lyrik vortrug, wollte nicht so recht zu ihrem späteren Auftreten im Wilhelmshorster Peter-Huchel-Haus passen.

Zuerst so: Fäulnis trübt Schönheit in ihrem Kirschgarten, Trauer der Botschaft, die Freude über die Flaschenpost aus dem Meer, ein Lied gibt nur „textile Worte“ wieder, nicht einmal die Liebe, die lebensnötige Liebe, will ihr immer schmecken. Manchmal, so las man, scheint sich alle Welt um sie zu drehen, wenn sie sich aber um jemanden dreht, da werden „die Augen altbacken“. Eine erstaunliche Wahrnehmung. „Das Glück wird nicht einfacher sein, in diesem Schrank“, seufzt sie tief, doch es „gibt noch Leben, von keinem Gott berührt“. Poesie sucht sie in Berlin, in Paris oder Moskau, in der polnischen Muttersprache, oder auf Deutsch. Die mit dem polnischen Dichterfürsten Adam Mickiewicz (1798-1855) nicht nur namensverwandte Autorin bearbeitet also tradierte Themen, während ihre Darstellung der inzwischen etwas abgegriffenen Moderne folgt. Nach Ansicht der charmanten Moderatorin Katarzyna Kaminska vom Brandenburgischen Literaturbüro (und der gängigen Polonistik) gehört sie zur ersten Generation polnischer Autoren gleichsam ohne Portefeuille: Nicht für, nicht gegen etwas schreiben! Deshalb ist das lyrische Ich stets ihr eigenes Ich, ihre Stimme, deshalb aber auch diese bange Frage „Wort, bist Du treu?“ Warum sollte es nicht.

Sie las nicht aus Wälzern, sondern aus kleinen Pappschachteln, darin ihre Texte gleich Minibüchern wohnen. Leporellos, Schriftrollen als Hüllendes für die gefundenen Verse, gefaltet, bergend verborgen. Sie bastelt gern, um die Finger nach dem Zigarettenentzug unter Kontrolle zu halten, sie liebt Textiles, Stoffe, weil aus „Stoff“ auch ihre Texte gewoben sind. Das ist exakt, aber vorläufig: Iwona Mickiewicz ist keine vollendete Dichterin, ihr Werk ist klein, vielleicht aber gar nicht gering, wer weiß.

Wie dem auch sei, die 43-Jährige liebt die polyglotte Sprache – nonverbal, um sich in St. Petersburg mit Behinderten zu verständigen, Deutsch, als sie 1988 beschloss, in Berlin zu leben. Vielleicht ist diese existenzsuchende Umtriebigkeit ein Produkt ihres Studiums der „Politischen Philologie“, vielleicht eines ihrer Familiengeschichte, die nur noch Vergangenheit heißt. Nur so kommt das Erinnern zum Schrank, an die madigen Früchte im Kirschgartenbeet, weit im Osten. Beim Spielen als Kind hatte immer sie das Nachsehen. Sie liebt (Wort, bist Du treu?) das Spielen mit Silben: „so so li – li li so", setzt den Schornsteinfeger an den unpassendsten Ort, findet zum Endreim, gab, jetzt in Prosa, eine hübsche Satire auf das Zischen der Muttersprache, auf „dampfende Pferdekacke“ und andere poetische Essenzen, alles sehr hübsch.

Und zeigte bei diesem vom Huchelhaus und dem Literaturbüro veranstalteten Abend jetzt auch die andere Physiognomie, heiter, witzig, schlagfertig – jenseits der Lesung. Dräuende Auskunft nach Herkunft des Namens und wovon sie denn lebe, beantwortete sie mit Geduld: „Diese Fragen kommen immer zuerst, stellen sie Ihre dritte!“ Ob sie deutsche oder polnische Literatur schreibe? „Meine!“ Zum Schluss ihre „Mini-Operatta in fünf Akten“ als Video, darin sich eine Köchin im papiernen Faltkleid als Soubrette versucht. Viele Gesichter, ein Mensch. Ein Werk voller Sehnsucht.

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