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KulTOUR: Schützenhaus Werder: Die Stille aus der Kraft

Werder (Havel) - Von der Werderaner Stadtgalerie in Sachen Kunst auch Qualität zu erwarten, versteht sich eigentlich von selbst. Kurator Frank Weber legt geradezu ostentativ Wert auf die handwerkliche Seite der Kunst, gleichwohl ihr geistiger Part natürlich das Wichtigste ist.

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Werder (Havel) - Von der Werderaner Stadtgalerie in Sachen Kunst auch Qualität zu erwarten, versteht sich eigentlich von selbst. Kurator Frank Weber legt geradezu ostentativ Wert auf die handwerkliche Seite der Kunst, gleichwohl ihr geistiger Part natürlich das Wichtigste ist. Als Maler wählt er aus, als konzeptioneller Künstler installiert er seine Favoriten unterm Dach des ehemaligen Schützenhauses, und fast immer ist es ein dicker Erfolg. Auch in der neuen Ausstellung, wo sich der Künste Kraft auf mancherlei Weg aus der Stille zu schleichen scheint: Eine Potsdamer und eine Berliner Künstlerin im trauten Ensemble, einander fern, und trotzdem irgendwie verwandt im strahlenden Weiß des Ausstellungsraumes. Hie die bildende Seite der Kunst, do die angewandte als Kleinplastik, das passt perfekt zueinander, schafft die Noblesse eines ganz besonderen Tons. Beider Gemeinsamkeit jetzt, wo die arme Kunst so viel Kratzen, Basteln, Hämmern und Kleben ertragen muss, ist das Bild des Menschen.

Ute Safrin hat sich seit 2010 ganz der Kleinplastik verschrieben. Sie arbeitet seriell, und immer mit Augenzwinkern. So zeigt sie hier eine Werkgruppe „Zum Vergnügen rumhängen“, neun engobierte Terrakotta-Nacktfiguren, sitzend, liegend oder lümmelnd, alle mit klarer Körpersprache und Mimik. „Helmut“ freilich ist einer, und trotzdem zu acht, ein toller Kunstgriff machts möglich. Ute Safrin hat sich erlaubt, diesen stämmigen Nackten mal in Holz- oder Papier-Maschee, mal in Zementguss, mal als Wachsfigur abzubilden. So erst entsteht die wahre Mannesgröße! Wenn man sich auf diese Figürlichkeit einlässt, kommt man aus dem Staunen gar nicht heraus, denn diese Künstlerin beherzigt, was Leonardo allen mit auf den Weg mitgab: Studiert die Gebärden, studiert die Anatomie des Körpers! Echte Klassiker also.

Wie in der Musik, so sind auch die Ölbilder von Gisela Neuenhahn auf je einen Grundton gesetzt, hier auf Rot oder Blau. Vom Grundwert der Farbgebung heißt das kompromisslos warm oder kalt, Feuer oder Wasser. Aber sie verwendet diese Farben nicht rein, mischt mit anderen der zweiten oder der dritten Ordnung. Man hat hier also ein musikalisch gestimmtes, dazu hochsensibles Werk vor sich, Gesichter, Torsi, Porträts, Arrangements und Skizzen. Ihre Figuren steigen aus gänzlich unbekanntem Bild- oder Farbgrund wie aus fernen Nebeln hervor, solo, zu zweit, zu dritt, als wollten sie den Betrachter in sich hinein-, oder zu sich herabziehen. Das Neuenhahnsche Ölbild ist zwitterig: lasziv und insistierend auf der einen Seite, auf der anderen so virulent und dramatisch, dass alles im nächsten Moment explodieren könnte. Dies ist eine vorbereitende Stille, keine ruhende. Und so nutzt sie auch Öl oder Fineliner, Kreide und Sepia für ihr faszinierendes Werk. Hundert Motive schier, doch nur eine Person: als Bajazzo mit Maske, als dreifacher Akt, im Sturz des Ikarus, beim Wiederfinden, als Tänzerin, als Bacchantin oder beim Kampf mit dem Engel. Kann man sich denn noch mehr öffnen, in Kraft und in Stille?

Eine zweite Werkgruppe der 1943 geborenen Künstlerin nimmt die mythische Idee von der Herkunft des Menschen aus Baumholz auf. Etliche Varianten seiner Verschmelzung und Loslösung werden zeichnerisch unter „Baumleben“ wiedergegeben. Wer das zu deuten versteht, bringt Tiefe in die Tiefe. 

Bis zum 23. Oktober donnerstags, samstags und sonntags von 13 bis 18 Uhr, Schützenhaus Werder, Uferstraße 10

Gerold Paul

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