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Imbiss-Raststätten vor dem Aus: Die Tassen sind schon weg
Das Bundesverkehrsministerium will die letzten Imbissstände auf Brandenburgs Autobahnen loswerden. Zwischen Ferch und Michendorf sind ddie Auswirkungen zu besichtigen.
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Beelitz/Ferch – Wenn Angelika Zacharias derzeit abends in ihre Kasse schaut, bekommt sie oft einen Schreck. Denn die Tageseinnahmen reichen nicht einmal für die Betriebsausgaben des kleinen Imbisswagens, der an der Autobahn zwischen den Abfahrten Ferch und Michendorf am Kilometerstein 95,9 steht. Auch der Parkplatz bleibt ungewöhnlich leer. Und das im Sommer – seit über 20 Jahren Garant für Hochsaison von Curry- und Bratwurst. Schuld sind die fehlenden Tassen: Ein Fernfahrer, einer von den Stammkunden, hatte sie erst darauf aufmerksam gemacht, als er fragte, wo denn an der Autobahn die kleinen Hinweisschilder mit der Tasse seien.
Anfangs glaubte die Imbiss-Betreiberin noch, jemand habe die Schilder aus Jux geklaut. Doch als sie in der Autobahnmeisterei anrief, erfuhr sie, dass die blau umrandeten Schilder auf Anweisung von „denen da oben“ abmontiert wurden. Schon am 9. August sei ein Fax eingetroffen mit der Order, alle Schilder zu entfernen. „Die da oben“, sagt Zacharias, „sind nicht vom Land Brandenburg, die sind vom Bund und die wollen uns nicht, weil wir nicht EU-Norm sind!“ Schon einmal stand ihr Imbiss vor dem Aus. Das war 2006, als der Pachtvertrag für den Standort an der Autobahn nicht verlängert wurde. In ihrer Not wandte sich Zacharias damals an Ministerpräsident Matthias Platzeck. Es war Wahlzeit und er versprach zu helfen. Seither steht der Imbiss noch immer am alten Platz, für den sie monatlich Pacht zahlt, seit 2006 auch ohne Vertrag. Jahr für Jahr sei das eine Zitterpartie für sie und ihre beiden Angestellten, die an den Nerven zehre. Trotzdem hatte sie Hoffnung, doch noch bis zur Rente bleiben zu dürfen.
Auf PNN-Nachfrage nach den Gründen für die Demontage der Schilder verweist Hans Reinhardt Reuter, Vorstandsvorsitzender des Landesbetriebes Straßenwesen, auf das Bundesfernstraßengesetz. „Darin sind Imbissstände nicht vorgesehen. Nur Nebenbetriebe, und damit sind Raststätten gemeint“, sagt Reuter. Seit 1990 sei das so. Aber weil es in der ehemaligen DDR zu wenig Raststätten gegeben habe, im Vergleich zu den alten Ländern, wurden seinerzeit Sondernutzungen erteilt. Doch 2005 habe das Bundesverkehrsministerium gefordert, die Imbissstände an der Autobahn müssten weg. Dazu setzte der Bund dem Land Brandenburg ein Ultimatum. „Das wurde aber nicht ernsthaft verfolgt“, räumt Reuter ein, auch ihm persönlich sei eine sozial verträgliche Lösung für die letzten Imbissstände im Land lieber. Denn von einst 43 Ständen seien nur noch sieben übrig. „Jetzt wird von uns der Spagat erwartet, das Problem zu lösen“, so Reuter.
Für manche Stammkunden ist der Imbiss von Angelika Zacharias richtig Kult. Prominenz von Film und Fernsehen hätten bei ihr schon Currywurst gegessen, erzählt sie. „Es ist einfach persönlicher und origineller als an der Raststätte“, meint ein Ehepaar, das öfter die Strecke auf der A10 fährt. Brummifahrer, die direkt vor dem Stand halten, schätzen den kurzen Weg, denn die meisten haben es eilig. Aber die Stammkundschaft reiche nicht aus, um von dem Imbissstand leben zu können, sagt Zacharias. Die meisten Durchreisenden fahren nun, seit die Schilder weg sind, vorbei. „Das hier ist mein Leben, meine Existenz. Ich will leben, ohne beim Sozialamt betteln zu müssen“, sagt Zacharias und kann nicht verstehen, wen sie mit ihrem Stand eigentlich störe. „Die, die uns hier weghaben wollen, würden sowieso nicht hier parken, und den anderen könnte man doch die Entscheidung überlassen, ob sie in eine Raststätte gehen oder zum Imbiss“.
Im Imbiss auf der anderen Autobahnseite reagierte man auf die Wegnahme der Schilder gleichfalls schockiert. „Keiner hat uns informiert“, sagt die Mitarbeiterin, die weiß, dass auch der Imbiss an der Spandauer Auffahrt betroffen ist. „Die wollen jetzt klagen“, erzählt sie.
Kirsten Graulich
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