KulTOUR: Die technische Seite der Welt
Teltower Industriemuseum zeigt Schätze der menschlichen Erfindungskunst
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Teltow - Nicht nur die hochhehre Kunst, auch die technische Seite der Welt gehört zur Kultur eines Landes, und seines Volkes. Letztlich ist alles „geistig“, ein künstlerisches Bild will ja genauso ge- und erfunden sein wie die „Bildzerlegeröhre“ (1928) von Rudolf Hell oder die „Schaltungsanordnung zum Erkennen der Vollständigkeit empfangener Informationen“ von Dieter Leßnau, welche beinahe den Weg ins DDR-Verkehrswesen gefunden hätte, wäre es 1989 nicht anders gekommen.
Diese und viele andere Schätze der menschlichen Erfindungskunst kann man derzeit als Sonderausstellung unter dem Titel „Personen, Projekte, Patente, Produkte“ im Teltower Industriemuseum bestaunen. Der zugehörige Verein hat weder Mühe noch Kosten gescheut, seinen Teil zum 750. Geburtstag der Stadt beizutragen, und der ist (samt Begleitvorträgen) größer, als sich der feingeistigste Technik-Muffel dies überhaupt vorstellen kann. Schon der Teltowkanal war ja eine Erfindung kluger Geister, er brachte Industrie und Forschung heran, Geld und verdienstvollen Ruhm. Sein Preis freilich war unter anderem das Verschwinden der beiden städtischen Seen im Bereich von Seehof. Die Wasser gingen, der Ruhm der Gründer, Forscher und Erfinder im neu entstandenen Industriegebiet Teltow/Stahnsdorf aber soll bleiben, so ist das gewollt.
Dabei nimmt die Sonderschau nur ein Eckchen in den eindrucksvollen Museumsräumen an der Oderstraße ein. Klein, aber fein, klug und liebevoll sind Schautafeln und Vitrinen hergerichtet, wo alle möglichen Produkte, aber auch die dazugehörigen Patente aus den Denk- und Produktionsstätten vor Ort gezeigt werden. Rudolf Hell (1901–2002) zum Beispiel, der Erfinder des „Hellschreibers“, brachte es auf 104 Patente! Sollte es doch mal einen Künstler in das viel zu wenig bekannte Museum verschlagen, er könnte sich vor Impulsen solcher Art gar nicht retten! Das Institut für Polymerenchemie Teltow-Seehof ist mit dem Namen des mehrfach promovierten Gelehrten Erich Correns verbunden. Hier suchte man Wege, um aus Zellulose, Polycarbonaten und anderem Zeug etwas Nützliches zu machen, wie in Myro Patermanns Fabrik Biomalz aus Gerste und Sirup.
Aus Teltows abgerissener Lackbude direkt am Kanal stammt das „Telsys-Antifouling-Programm“ von Albrecht Siedentopf, ein Patent auf Schiffsanstriche. Im damaligen „CvO“ entstand unter der Leitung von Christian Hälsig „der kleinste Chip der Welt“ mit Abmessungen von 1,5 mal 10 Millimetern heute ein Riese unter den Zwergen. Hier wurde auch jener Filter entwickelt, mit dem man erstmals beide Farbfernseh-Systeme, PAL und SECAM, empfangen konnte. Das GRW, Nachfolger der von Berlin ausgelagerten Askania-Werke, brachte „die Automatisierung nach Teltow“, wie es Vereinsmitglied Norbert Bluhm formulierte. Nicht zu vergessen das GWS (Gleichrichterwerk) Stahnsdorf, wo unter anderem Ernst Bottke („Allrounder in der Elektronik“) und Hans-F. Hadamowsky an der Kristallbearbeitung von Germanium und Silizium forschten.
Ortsgeschichte, Zeitgeschichte, Biografien – so viele Namen, so viel Geschichte! „Diese Ausstellung“, so Norbert Bluhm, „beruht vor allem auf den Recherchen unseres Vereinsvorsitzenden Norbert Gölitzer. Ein Anfang, es gibt noch viel mehr Forscher.“ Pionierarbeit also, gewissermaßen „Grundlagenforschung“ für spätere Zeiten. Fazit: Letztlich ist jede „Innovation“ geistig, von und durch Menschen gemacht, die einen Namen haben, und einen bleibenden Namen verdienen. Gerold Paul
Industriemuseum Teltow, Oderstraße 23, bis zum September dienstags bis samstags, jeweils von 10 bis 16 Uhr
Gerold Paul
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