DIE KANDIDATEN: „Die Unterschiede liegen im Detail“
Werder wählt: Amtsinhaber Werner Große und Heraus- forderer Peter Kames im Interview
Stand:
Herr Große, Ihr Vorbild Franz Dümichen war von 1884 bis 1917 Bürgermeister von Werder (Havel). Wollen Sie die 33 Jahre knacken?
Große: Das ist für mich nicht mehr zu schaffen, ich bin 60 und die Altersgrenze liegt heute bei 70 Jahren.
Zwei Jahrzehnte in diesem Amt sind für Brandenburger Verhältnisse ja auch schon eine lange Zeit. Was kann man denn nach 20 Jahren im Amt überhaupt noch erreichen?
Große: Ich bin lange noch nicht fertig. Wir dachten 1990 alle, dass es viel schneller geht. Wir haben unterschätzt, wie schlecht die Infrastruktur tatsächlich war. Es gibt noch sehr viel in den Schulen und Kitas zu tun, das wird ein Schwerpunkt in den nächsten Jahren sein, natürlich auch die Straßen. Und die Sache mit dem Bad, das möchte ich gern noch hinkriegen.
Herr Kames, wenn Franz Dümichen 33 Jahre regieren durfte, warum sind dann 20 Jahre Werner Große schon genug?
Kames: Es sollte zur richtigen Zeit auch mal einen Wechsel in der Demokratie geben und ich versuche halt, ihn etwas eher einzuleiten, als sich Herr Große das selbst vorgenommen hat. Die Freien Bürger und ich haben in unserem Wahlprogramm aufgeschrieben, in welchen Bereichen wir andere Vorstellungen haben. Was Schulen, Kitas und Straßen anbetrifft, bestehen grundsätzlich ähnliche Auffassungen, die Unterschiede liegen im Detail. Viele Aktivitäten werden und wurden ja in der Stadtverordnetenversammlung gemeinsam von allen Fraktionen getragen.
Was muss sich in Werder grundlegend verändern?
Kames: Die Entscheidungsbefugnis muss auf breitere Füße gestellt werden und mehr Bürger einbezogen werden. Ich will aber auch nicht verhehlen, dass sich in der letzten Zeit einiges im Umgang verbessert hat. Der Hauptausschuss zum Konzept des Blütenfestes war diesbezüglich sehr gelungen.
Herr Kames hat immer wieder anklingen lassen, dass in Werder eine Bürgermeisterpolitik betrieben werde, alles sei auf Ihre Person ausgerichtet. Herr Große, ist da vielleicht etwas dran?
Große: Dem Bürgermeister ist mit der Kommunalverfassung eine herausgehobene Stellung zugewiesen worden, unabhängig vom Parteibuch. Ansonsten ist dort und auch in unserer Hauptsatzung klar geregelt, was der Bürgermeister darf, was er nicht darf und wo er die Gremien beteiligen muss. Daran halte ich mich.
Herr Kames, Sie wollen die Bürger stärker in das politische Tagesgeschehen einbinden. Reichen nicht die Dezernenten der Stadtverwaltung, die Parteien und Gruppierungen, Gremien und das Stadtparlament, um politische Konflikte auszutragen?
Kames: Die Politiverdrossenheit wird immer größer. Man muss deshalb versuchen, mehr Leute mit ins Boot zu holen, das will ich als Bürgermeister versuchen. Auf der anderen Seite wollen wir die Politiverdrossenheit nicht durch einen unsachlichen Wahlkampf noch verschärfen. Wir werden nächsten Dienstag zum Beispiel gemeinsam an einer Politikstunde im Gymnasium teilnehmen, um das Interesse an der Kommunalpolitik und der Bürgermeisterwahl wachzuhalten.
Herr Große, am kommenden Montag werden Sie einen sehr mondänen Feuerwehrneubau in Werder einweihen. Für die Glindower Schulturnhalle hat es allerdings nur für eine Sanierung gereicht, obwohl der Ortsbeirat einen größeren Neubau gefordert hat. Regieren Sie manchmal an den Ortsteilen vorbei?
Große: Nein, aber es ist natürlich klar, dass man auch nicht alle Wünsche der Ortsteile erfüllen kann. Die Stadt war in der glücklichen Lage, dass wir die Glindower Turnhalle aus Mitteln des Konjunkturpaketes sanieren konnten. Und für den Schulsport ist die Hallengröße angemessen, ein paar Vereine können auch noch rein. Für den Freizeitsport haben wir noch zwei große Hallen in Werder, die ausreichend sind. Einen Neubau hätten wir in Glindow an der Stelle einfach nicht hinbekommen. Wir hätten ein Grundstück suchen müssen, was erhebliche Mehrkosten und auch weitere Wege bedeutet hätte. Ich war heute in der Glindower Schule in der Politikstunde, die waren alle sehr zufrieden mit der Sanierung.
Herr Kames, Sie wollen die Ortsteile stärker am Investitionsgeschehen beteiligen. Schadet es nicht der Kernstadt, wenn Sie die Gießkanne auspacken?
Kames: Ich will nicht die Gießkanne auspacken, speziell im Fall der Glindower Turnhalle hätte ich mir aber gewünscht, dass man eine Erweiterung ins Auge fasst. Herr Große hat zum Thema Turnhallensanierungen vor einiger Zeit erklärt, dass an erster Stelle die Schulen stehen müssten. Daran haben wir uns in Glindow in der Diskussion gehalten: Die vorhandene Schule hat eine Tendenz zur Zweizügigkeit, eine größere Halle wäre deshalb schön gewesen. Das hat nicht geklappt, aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Mit Ihnen als Bürgermeister?
Kames: Ich bin hier nicht bekannt als Husarenreiter und habe, auch als sachkundiger Bürger im Finanzausschuss, seit Jahr und Tag hervorragend mit der Kämmerei zusammengearbeitet. Und ich will jetzt nicht sagen, wenn ich gewinne, bricht am nächsten Tag das Paradies aus. (lacht) Vielleicht ein kleines.
Es gibt viele Übereinstimmungen zwischen Ihnen, es war auch von Abweichungen zu hören: Beim Thema Bismarckhöhe findet Herr Kames, dass es ein Konzept und ein Investor geben sollte, bevor man öffentliche Gelder investiert. Herr Große, haben Sie sich mit diesem Projekt verrannt?
Große: Nein, wir hatten ein Konzept zur Bewerbung der Landesgartenschau gemacht, es gibt eine Potenzialanalyse, die alle Stadtverordneten kennen. Und danach arbeiten wir auch. Natürlich wäre es schön, wenn wir den Scheich hätten, der die Millionen auf den Tisch legt und alles saniert und betreibt. Aber Ronny Pietzner als Tagesbetreiber macht ja auch seinen Teil: Für den Biergarten, der zur nächsten Saison eröffnet wird, nimmt er viel Geld in die Hand. Wir bekommen jetzt noch, sofern der Kreistag das beschließt, 152 000 Euro aus dem Konjunkturpaket, um die Fassade des Hotelturms und die Rückseite des Ballsaals zu sanieren. Es läuft ein Architektenwettbewerb für den Kleinen Saal, es wird alles gemacht, was einmal beschlossen wurde. Auch der Freundeskreis ist dabei sehr engagiert.
Die Bismarckhöhe ist noch ein erhebliches Zuschussgeschäft für die Stadt.
Große: Aber wir haben einen großen Veranstaltungssaal für Werder gebraucht, und mit dem Ballsaal steht er jetzt auch zur Verfügung. Solche Säle sind immer ein Zuschussgeschäft. Der Standort hat eine besondere geschichtliche Bedeutung für Werder, erst durch die Bismarckhöhe sind wir vor gut 100 Jahren für die Berliner in den touristischen Fokus gerückt. Da hat man eine Verpflichtung als Stadt, und ein anderer hat es nicht gemacht.
Herr Kames, wie hebt man das Projekt Bismarckhöhe jetzt auf ein richtiges Gleis?
Kames: Ich hätte mir von Anfang an ein Gesamtkonzept für die Bismarckhöhe gewünscht, man hat stattdessen in kleinen Schritten Investitionen vorgenommen. Die Freien Bürger haben die jüngsten Entscheidungen mitgetragen. Jetzt rückwirkend zu sagen, man schmeißt alles über den Haufen, geht auch nicht. Ich hätte mir gewünscht, dass man ähnlich wie beim Schwimmbad vorgeht: Erst ein Konzept, dann die Umsetzung. Man sollte sich weiter um ein Nutzungskonzept und intensiv um einen Investor bemühen, die Erhaltungswürdigkeit und die Geschichte sehe ich natürlich auch.
Große: Wir hatten die Bismarckhöhe ja ausgeschrieben, es gab aber mit Ronny Pietzner nur einen Bewerber – im Unterschied zum Schwimmbad, wo es sieben Interessenten gibt. Und wie gesagt: Wir arbeiten nach dem Konzept, das mit der Laga-Bewerbung beschlossen wurde, auch wenn wir mit der Bewerbung selbst gescheitert waren.
In zwei Jahren soll das neue Freizeitbad eröffnet werden – zeitgleich mit einem Freizeitbad in Potsdam. Das Landes-Bädergutachten von 2003 sieht für diesen Fall Probleme für den Erhalt aller Bäder in der Region, nach Landesangaben gilt diese Aussage auch heute. Sie befürworten beide ein großes Bad in Werder. Warum sollte man über das Bädergutachten hinweggehen?
Große: Wir haben für unser Bad extra ein völlig neues Konzept mit privater Beteiligung gewählt, um die Risiken für die Stadt soweit wie möglich auszuschließen und die Kosten zu deckeln. In der Saison sind unsere Unterkünfte gut gebucht, die Schwachstelle ist der Winter und mit der Blüten-Therme können wir das ausgleichen. Wenn sie steht, wird es auch einen Schub für neue Einwohner und touristische Investitionen in den Havelauen geben, so dass wir auch außerhalb des Bades Einnahmen generieren können. Wenn ich den Wirtschaftsminister richtig verstehe, möchte man weg von Branchenschwerpunkten sondern da fördern, wo der größte Effekt zu erreichen ist. Das wäre in den Havelauen der Fall.
Kames: Trotz des Wahlkampfs stehe ich zu dem Beschluss der Stadtverordneten zur Realisierung des Bades. Es sollte bei dem Umfang bleiben, der jetzt im Raum steht. Ich will den Wahlkampf nicht dazu nutzen, das Freizeitbad niederzumachen. Sie wissen aber: Ich komme im Finanzministerium aus einem Bereich, wo man schon mal Zahlen und steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten für ein Schwimmbad gesehen hat. Diese Erfahrungen werde ich einbringen und dafür sorgen, dass da alles richtig läuft.
Würden Sie denn Herrn Große anbieten, mal in die Vertragsentwürfe zu gucken, selbst wenn Sie nicht Bürgermeister werden sollten?
Kames: Herr Große sprach in den PNN im Zusammenhang mit einer unbeantworteten Frage diese Woche von „20 Jahren Sibirien“, die ihm bei einer Antwort drohen. Das gilt jetzt auch für mich.
Das Rathaus findet ein vergünstigtes Schulessen für sozial schwache Kinder zu aufwendig, der Kandidat der Freien Bürger findet das nicht. Herr Kames, wie kann das mit dem Billigessen doch noch funktionieren?
Kames: Ich bin der Meinung, dass eine Stadt, die auf so gesunden Beinen steht, im Sozialbereich noch etwas aktiver sein sollte. Darum bin ich für die Möglichkeit eines kostenlosen Mittagessens, das kann zum Beispiel über Gutscheine funktionieren. Ich habe noch nicht im Einzelnen nachgerechnet, aber ich bin mir sicher, dass das machbar ist.
Große: Man muss bei seinen Aufgaben bleiben: Die Stadt ist dafür zuständig, ein Mittagessen zu angemessenen Preisen anzubieten. Da hat das Bundessozialgericht in einem anderen Fall gesagt: Zwei Euro sind angemessen. Die Stadt stellt für das Mittagessen bereits über 96 000 Euro Zuschuss bereit. Ein kostenloses Schulessen wäre eine Bundesaufgabe, das muss über das Sozialgesetzbuch geregelt werden. In der Diskussion zu neuen Hartz IV-Regelsätzen für Kinder sollte man ernsthaft überlegen, dass ein kostenloses Mittagessen gestellt wird, solche Überlegungen gibt es ja auch. Das würde ich begrüßen.
Herr Große, Sie haben bei der letzten Bürgermeisterwahl fast 80 Prozent der Stimmen erreicht. Haben Sie das Gefühl, noch für einen Wahlsieg kämpfen zu müssen?
Große: Unabhängig von der Bürgermeisterwahl: Wenn man etwas erreichen will, muss man immer kämpfen. Das mache ich.
Herr Kames, Sie sind derzeit auf vielen Wahlkampfständen in der Stadt unterwegs und haben unlängst berichtet, dass die Passanten manchmal nicht einmal eine Hand für Ihren Flyer frei haben. Was wollen Sie diesen Leuten zurufen?
Kames: Man trifft im Wahlkampf die gesamte Palette, die geht von ,keine Hand für den Flyer frei’ bis herzliche Umarmungen. Dazwischen liegt dann das wahre Leben. Wenn mir jemand sagt, ich wähle immer CDU und werde das am 14. März wieder tun, finde ich das nicht schlimm. Es gibt andere, und die sagen, sie wählen Peter Kames. Wenn ich mal meine Memoiren schreibe, wird dieser Bürgermeisterwahlkampf einen großen Umfang einnehmen. Ich finde das erlebenswert, man geht nicht durchs Feuer.
Das Interview führte Henry Klix
Für die Bürgermeisterwahl in Werder (Havel) am 14. März stellen sich mit Amtsinhaber Werner Große (CDU) und dem Herausforderer der Freien Bürger, Peter Kames, zwei Kandidaten. Werner Große ist 60 Jahre alt, gebürtiger Glindower und seit 1990 Bürgermeister von Werder. Nach einer Gärtnerlehre studierte er Jura, wurde schon vor der Wende stellvertretender Bürgermeister der Stadt. Große ist Präsident des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg. Peter Kames kandidiert für die Freien Bürger, wird aber auch von SPD, Linken und Bündnisgrünen in Werder unterstützt. Der 55-jährige Diplom-Finanzwirt ist Vize des Steuerreferats im Landesfinanzministerium. Er stammt aus Grevenbroich und lebt seit 1994 in Werder, seit 1996 ist er kommunalpolitisch in Glindow und Werder aktiv. hkx
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: