Potsdam-Mittelmark: Die Unverzichtbaren
Michendorf würdigt seine ehrenamtlichen Kräfte. Die Möglichkeiten, sich zu engagieren, werden vielfältiger – die Nachfrage nach unbezahlter Arbeit auch
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Michendorf – Lange Zeit war es Carla Krüger gewohnt, ihre Tage im Archiv zu verbringen. Die pensionierte Pädagogin hat unzählige Urkunden, Kirchenbücher und Aufzeichnungen gewälzt und Stück für Stück die Lücken in der Langerwischer Ortsgeschichte geschlossen – aus Interesse, wie sie sagt. Ihre Arbeit bildete den Grundstock für den gerade erschienenen 150-seitigen Band zum 725-jährigen Jubiläum des Dorfes. Jürgen Krebs indes ist seit über 50 Jahren politisch aktiv. Der Wildenbrucher hat endlose Abende in der Gemeindevertretung verbracht, um für das Wohl seines Dorfes zu kämpfen. Nach der Wende bis 2003 war er ehrenamtlicher Bürgermeister und sitzt noch heute im Ortsbeirat. Die beiden zeigen, dass es auch die Senioren sind, die das gemeindliche Leben am Laufen halten.
Fast jeder dritte Brandenburger engagiert sich ehrenamtlich: Im Sportverein, in der Feuerwehr, im sozialen Bereich oder in der Kultur. Und ein Großteil davon ist älter als 65. „Es wäre falsch zu glauben, man brauche die Älteren nicht“, sagte Michendorfs Bürgermeisterin Cornelia Jung (parteilos) am Samstag auf ihrer jährlichen „Dankeschönveranstaltung“. Mit ihrem Ideenreichtum, ihrer Lebenserfahrung und dem typischen Schuss Weisheit würden Senioren das öffentliche Leben in Michendorf prägen.
Insgesamt 22 engagierte Michendorfer sind ausgezeichnet worden, der 75-jährige Jürgen Krebs durfte sich sogar in das Goldene Buch der Gemeinde eintragen. Sie alle bilden einen plakativen Querschnitt gemeinnütziger Arbeit, die hier von allen Generationen geleistet wird: Unter den Ausgezeichneten sind Feuerwehrleute, Mitglieder der Arbeiterwohlfahrt und der Heimatvereine sowie Geschäftstreibende – wie der Wildenbrucher Bäcker Fritz Mende. Der hatte manchmal bis Abends um elf in der Gemeindevertretung gesessen, obwohl er um ein Uhr schon wieder raus musste, um zu backen, wie Ortsvorsteher Manfred Bellin (FBL) berichtete. Mende ist noch heute Mitglied des Fastnachtsclubs Wildenbruch.
Bürgermeisterin Jung unterstrich, dass die Gemeinde Michendorf die ehrenamtliche Arbeit besonders fördern wolle. „Auch künftig sollen die Vereine unsere Sportstätten und Gemeindezentren kostenlos nutzen können, auch weiterhin wird es Fördermittel für deren Arbeit geben“, so Jung. Durch Ehrungen wie die am Samstag soll auch die öffentliche Anerkennung noch stärker zum Ausdruck gebracht werden.
Denn obwohl Ehrenämtler kostenlos arbeiten, möchten sie dennoch etwas zurückbekommen, wie die Freiwilligenkoordinatorin des Landkreises, Steffi Wiesner, gegenüber den PNN erklärte. Sie vermittelt engagierte Bürger an Vereine, soziale und kulturelle Träger. Das Ehrenamt habe heute einen viel besseren Ruf als früher: Freiwillige werden von ihren Mitmenschen nicht mehr mit einem mitleidigen Kopfschütteln bedacht, sondern erhalten Anerkennung für ihre Arbeit. Die Bereiche, in denen sich Leute engagieren, werden dabei immer vielfältiger: Neben den klassischen Ressorts wie Feuerwehr oder Fußballclub wird immer häufiger auch im Naturschutz, im sozialen Bereich und bei Bürgerinitiativen unentgeldlich gearbeitet.
Die Nachfrage nach unbezahlten Freiwilligen im Landkreis steigt, wie Wiesner berichtet – wohl auch aus wirtschaftlichen Gründen. Aber längst nicht jede Stelle kann besetzt werden: „Die Leute haben genaue Vorstellungen, was sie tun möchten. Die Arbeit soll Spaß machen und man will etwas für sich selbst mitnehmen“, erläuterte Wiesner.
So wie Carla Krüger, die der Langerwischer Ortsvorsteher Wolfgang Kroll (UWG) als „Juwel“ bezeichnete: Beim Schreiben der Chronik ihres Ortes hat sie ihre Leidenschaft für die Geschichtsforschung entdeckt – und gleich mit dem Verfassen einer Familienchronik weitergemacht. Bis ins Jahr 1700 konnte die in Ostpreußen geborene Frau ihre Wurzeln zurückverfolgen. Die Begeisterung für ihre Arbeit hat sie an ihren Großneffen weitergegeben. Johannes Nest hat mit 25 Jahren den Posten des Ortschronisten von ihr übernommen. „Er kennt sich besser mit Computern aus“, erläutert Carla Krüger. Rat und Hilfe kann sie ihm aber nach wie vor anbieten. Thomas Lähns
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