KulTOUR: Die vorläufige Galerie
Berliner Kunst in Werders Lendelhaus
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Werder - „Was heißt hier siegen, überstehen ist alles“, steht über einem Papier, auf dem Manfred Giesler die letzten zwanzig Jahre seiner Galeristentätigkeit in Berlin aufgelistet hat. Zweihundert Ausstellungen bis 2004, dazu fast die gleiche Zahl an Lesungen und Musikperformances. Eine Miniatur solcher Umtriebigkeit könnte jetzt auch Werder (Havel) beschert werden, denn Giesler hat sich im Lendelhaus eine „Sommergalerie“ eingerichtet, vorläufig zwar, aber mit Aussicht auf Dauer. Ein bisschen hinge das auch von der Stadt ab, sagte er, denn viele der insularen Geschäftsleute beklagten die Leere der Bürgersteige wochentags, mitten in der Saison.
Die Neugründung in dem „schweinchenrosa“ (so spricht der Volksmund) gestrichenen Gebäude, als „Stadtpalais“ von 1789 ältester Profanbau der Insel mit fast vergnüglicher Vergangenheit, hat in Werder nur ein Pendant. Gute Bedingungen also, mit der neuen Galerie auch neue Kunst der Metropole in die Stadt der Obstbauern zu bringen.
Ein Großformater von Joachim Peeck, einst „Junger Wilder“, lässt vor den sieben Stufen zum Hochparterre grüßen. Donald Duck im groben Malerstrich auf grünem Grund. Drinnen betonen ungestrichene, rohe Wände die Vorläufigkeit dieses Unterfangens in zwei Räumen. Sie passten gut zu dieser Kunst, meint Giesler, gut auch zu seinem Credo: „Wenn ich König bin, führe ich die Schlamperei in Deutschland ein.“
Mit jedem der neun ausgestellten Künstler pflegt der Pfeifenraucher guten Kontakt, mit Johannes Grützke etwa, Mitbegründer der „Schule der Neuen Prächtigkeit“, welche den „jungen Abstrakten“ in den Sechzigern unbedingt Paroli bieten wollte. Grützkes Bedürfnis, sich in den Sujets wiederzufinden, ist groß. Der emeritierte Professor (Nürnberg, Berlin) malt lebhaft, gegenständlich, manchmal etwas flächig, dafür montiert er gerne Großaufnahmen (des eigenen Hauptes beispielsweise) in seine temperamentvolle Bildwelt hinein. Na, prächtig. „Der Flaschenarm“ oder „den Absprung verhindern“ zeigt vieles von ihm.
Manfred Giesler stellt ausschließlich Berliner gestandenen Alters aus, „Junge“ findet man in der ehemaligen Obstfabrik und Schnapsbrennerei nicht. Dreitausend Maler gibt es derzeit in der Hauptstadt, die meisten – Überstehen ist eben alles – geben ausgebrannt und enttäuscht nach zehn Jahren auf. Biene Feld nicht, sie ist mit reizvollen Arbeiten ihres „Vineta“-Zyklus vertreten, fragile, sehr genau konstruierte und farblich abgestimmte Bilder, gut zum hineinkontemplieren geeignet. Diese Stadt ist ja nicht umsonst in den Fluten untergegangen. Diese kolorierten Holzschnitte sind sehenswert.
Recht dekorative Sachen des Opernregisseurs Achim Freyer, Bilder eher symbolischen Inhalts bei Gabriel Heimler (jüngster unter den Malern) – die Herren mit den Melonen erinnern gelegentlich an Magritte. Rainer Goerss, F.W. Bernstein, Rainer Wölzl, kolorierte Holzfiguren expressiver Bauart von Hans Scheib: Manfred Giesler achtet bei der Komposition seiner Ausstellung sehr genau darauf, dass „Maler und Werk identisch sind“.
Aber verhindere einer „den Absprung“, wenn zwar ein Schuh da ist, der dazugehörige Fuß darin aber fehlt, bringe einer hauptstädtische Kultur in diese Gassenidylle, wenn die Besucherschaft ausbleibt! Werder, wo liegt denn das?, fragt mancher Manfred Geisler in Berlin. Drei Maler leben und arbeiten auf der Insel, zwei Galerien gibt es im Ort. Siegen oder Überstehen – es müsste doch wohl mehr daraus zu machen sein.
geöffnet bis zum 26. August Samstag und Sonntag 12 bis 18 Uhr oder nach Vereinbarung
Gerold Paul
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