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Die Bühne im Volkshaus verspricht ein kultureller Leuchtturm zu werden. Während die Bauarbeiten schon weit vorangeschritten sind, muss Regisseur Siegfried Patzer noch mit seiner Schauspieltruppe am Premierenstück Der Bockerer feilen.

© Thomas Lähns

Von Thomas Lähns: Doppelregie in Michendorf

Die „Kleine Bühne im Volkshaus“ öffnet am 19. Juni – Theatermann Patzer ist zurzeit auch Polier

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Michendorf - Mehr als ein Kompromiss ist manchmal nicht drin. Über drei Jahre hat Regisseur Siegfried Patzer nach einem Standort für sein Theater in Michendorf gesucht. Immer wieder hat er Gebäude und Grundstücke besichtigt – und letztendlich doch alle verwerfen müssen. Im Volkshaus in der Potsdamer Straße ist er endlich angekommen. Dass es den Saal nur zur Miete gab, trübt die Freude ein wenig. „Was ich hier ausgebe, ist erst einmal weg“, sagt der Künstler und lässt mit dem Akkuschrauber einen Bolzen in der Tribüne verschwinden. Lieber hätte er sein Geld in etwas Eigenes investiert.

Und doch verspricht die „Kleine Bühne im Volkshaus“ ein kultureller Leuchtturm zu werden, der bis nach Potsdam strahlt. Denn bei der Umsetzung seiner Vision kennt Patzer keine Kompromisse. Seit Oktober ist der Künstler auch Innenarchitekt, Dekorateur und Handwerker – freilich nicht ganz ohne die Unterstützung von Firmen. Mit Trockenbauwänden ist jetzt die Bühne eingefasst worden und ein intimer Theaterraum für ein kleines Publikum von 72 Leuten entstanden. Selbst ganz hinten sitzt man wie in der ersten Reihe. Außen befindet sich jetzt ein großzügiges Foyer, in dem neben Bar und Garderobe auch eine Mini-Bühne Platz hat. Hier könnte man sonntags ein Café-Theater mit klassischer Musik veranstalten, so die Idee dahinter.

In Anbetracht der neuen Möglichkeiten gerät Patzer doch noch ins Schwärmen: „Hier kann ich schalten und walten, wie ich will“, sagt er. Vorbei sind die Zeiten, als seine Schauspieltruppe für jede Inszenierung im Gemeindezentrum Zum Apfelbaum das Bühnenbild erst holen, dann auf- und schließlich wieder abbauen und fortschaffen musste. Jetzt kann die Kulisse stehen bleiben, so lange die Inszenierung läuft, jetzt kann eine umfangreiche Requisite angelegt und damit auch ein Repertoire mehrerer Stücke bereitgehalten werden. Auch abseits der Bühne kann der Regisseur künftig aus dem Vollen schöpfen, um seine Schauspieler optimal in Szene zu setzen: 24 Scheinwerfer werden auf die Bühne gerichtet, die moderne Tonanlage wird mit Hintergrundgeräuschen und musikalischen Einspielern die Stücken bereichern. Für die Technik sucht Patzer noch ehrenamtliche und versierte Helfer.

Vor dem geplanten Eröffnungstermin am 19. Juni ist dem Bauherren nicht bange: Die Bühne ist längst restauriert, die sechs Zuschauerreihen sollen kommende Woche fertig werden. Nur die Belüftungsanlage im Keller muss noch installiert werden. Wie geplant, wird der Kulturmäzen den Michendorfern ein neues Theater zu Füßen legen. Auf den Regisseur Patzer wartet indes noch eine Menge Arbeit, denn ganz nebenbei muss die „Kleine Bühne“ ja auch noch ihr Premierenstück einstudieren. Mit der tragischen Posse „Der Bockerer“ will das Ensemble an seine bisherigen Erfolge anknüpfen. Denn so ernst der Hintergrund des Schauspiels – der Einmarsch der Deutschen in Österreich 1938 – auch ist, so eigenwillig und komisch ist das Agieren von Karl Bockerer.

Der Wiener Metzger hat zwar am gleichen Tag wie Hitler Geburtstag, doch mit den Nazis hat er nichts am Hut. Er weigert sich, den Führerkult mitzumachen und seine Freunde (einen Juden und einen Sozialisten) zu verleugnen. Der Bockerer setzt sich auf naive, aber subtile Weise zur Wehr – indem er zum Beispiel die Hakenkreuzfahne auf dem Hinterhof aufhängt – vorn an der Straße würde sie ja im Dreck hängen ...

„Wir wollen Theater spielen, das die Menschen in der Region anspricht“, sagt Patzer. Und das dürften in erster Linie Lustspiele sein, die das Publikum zum Lachen bringen. Anders sind die ausverkauften Vorstellungen des Schwanks „Pension Schöller“ mit zwei Spielzeiten im vergangenen Jahr kaum zu erklären. Viele Besucher seien hier zum ersten Mal überhaupt im Theater gewesen. Avantgarde-Theater, das um jeden Preis provozieren will, mag für solche Gäste auch nicht das Richtige sein. Die Bürger sollen zufrieden sein, wenn sie den Saal verlassen, so Patzer.

Und so führt Michendorfers Kulturstifter dieser Tage doppelt Regie: Vor- und nachmittags dirigiert er die Handwerker, abends leitet er seine Schauspieler an. „Im Moment ist der Stress noch groß“, sagt er. So richtig erleichtert werde er wohl erst sein, wenn der Vorhang das erste Mal aufgeht – auf der „Kleinen Bühne im Volkshaus“ in Michendorf.

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