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KulTOUR: „Draußen ist es anders schön“

Die Fercher Obstkistenbühne lud in familiärer Wohlfühlatmosphäre zum musikalischen Osterspaziergang

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Schwielowsee - Bei Ingrid und Wolfgang Protze in Ferch ist immer Obstkistenzeit. Ab Mai Open Air mit Holzpantinengeklapper, wenn’s fröstelt, im Wintergarten drinnen, wo sich früher Ziege, Pferd und Haushuhn in tierischster Wohnungsnot den Raum teilen mussten. Heute sitzt man hier gemütlich bei schwarzem Überseekaffee und dunkler Torte von Privat aus Werder, um einem der jahreszeitlich abgestimmten Programme nachzugehen, welche das langgediente Ehepaar zu Akkordeon und Gitarre singend oder rezitierend vorträgt.

Am Samstag gab es einen Osterspaziergang rund um den Schwielowsee mit Theodor Fontane und weiteren Havellandbekanntschaften: Vor dem Fenster eine kleine Kirschblüte mit Ostersamstags-Kaiserwetter, drinnen ein volles Haus, nachdem die Bummelletzten aus Berlin eingetroffen waren. Das altbewährte Duo betrachtet seine Auftritte seit Eröffnung der „Fercher Obstkistenbühne“ 1992 als mit dem Publikum „gemeinsam verbrachte Lebenszeit“. Man legt also Wert auf eine familiäre Wohlfühlatmosphäre, bei der sich auch mitsummen und mitsingen lässt. Aber wie meinte Wolfgang Protze nach dem ganz von schönen Stimmungen getragenen Schwielowsee-Programm: „Wir können auch anders!“ Nun, das möchte bei so erfahrenen Liedermachern alter Schule wohl auch sein.

Zuerst aber kündigte sich der Frühling mit Heinrich Heine und Felix Mendelssohn-Bartholdy als „liebliches Geläute“ im Gemüte an, bevor der Fokus vom „Grenzland Brandenburg“ immer enger gezogen wurde, bis er am Schwielowsee innehielt. Das „arme“ und „heruntergekommene“ Ferch kannten Carl Schuch und Karl Hagemeister so gut wie Käthe Kollwitz. Ob Fontane auch da war, ist bis morgen fraglich. Fest steht nur, dass er Petzow besuchte und einen nicht gerade bangelosen Segelausflug auf dem unberechenbaren Gewässer machte. Das singende und dichtende Ehepaar besang und bedichtete Ferchs „Wiesensteg“, die rasenden „Schwielowsee-Piraten“, erzählten aber auch vom Schmugglernest Ferch, als die sächsische Landesgrenze noch bei Kanin und Busendorf lag. Liebeslieder von Fontane bis zur Internet-Gegenwart, Poetisches aus Ingrid Protzes „Schwielowsee-Tagebuch“, auch ein paar Anti-Spießer-Spitzen wurden ins Frühlings-Programm gestreut, schon des lieben Rasenmähers wegen! Die Tendenz aber blieb in Blues, Folk, Rap und Reggae stets freundlich – und Ferch beider Liebe fürs Leben, samt hundertjähriger Linde gleich vor dem Tor.

Eigentlich bietet ihr „Holzpantinen-Musik-Theater im Grünen“ für jeden etwas, Abend- und Familienkonzerte, Kinder- und Erwachsenen-Veranstaltungen, wobei die Sehnsucht reziprok zur Jahreszeit enteilt: winters am Feldstein-Kamin nach draußen, im Sommer umgekehrt, denn „draußen ist es anders schön!“ Fontane ist meistens dabei, wenn wie am Sonnabend eine Weile geplaudert wird, wenn „Schneegeflimmer“ in der Fercher Luft liegt. Bei zwei so produktiven Köpfen gibt es natürlich ständig Zuwachs, neue Lieder, neue Texte. Aber darüber soll man ja bekanntlich so wenig reden wie über ungelegte Eier, besonders zu Ostern. Doch, eines: Ohne im aktuellen Jahresprogramm von Kulturland Brandenburg enthalten zu sein, haben sich Ingrid und Wolfgang Protze Gedanken zum diesjährigen Kulturland-Thema „Film“ gemacht und sind sozusagen auf eigener Türschwelle fündig geworden: „Drehort Ferch“ – demnächst auf dieser Bühne. Gerold Paul

Gerold Paul

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