Potsdam-Mittelmark: Drei Könige und zwei Vereine
Annäherung beim Europäischen Sommerfest im Schloss Caputh
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Annäherung beim Europäischen Sommerfest im Schloss Caputh Von Gerold Paul Schwielowsee-Caputh. Nike ist ein Geist des Sieges. Nach ihr hat sich ein eingetragener Verein polnischer Unternehmerinnen des Mittelstandes mit Sitz in Berlin benannt. Die „Preußische Gesellschaft Berlin-Brandenburg“, auch ein „e.V.“ in der Hauptstadt, widmet sich unterdessen der Pflege nationaler, besonders preußischer Traditionen und Tugenden nach Art Friedrich II.; Volker Tschapke, ihr Präsident, wurde unlängst sogar in den Stand eines „Komtur“ erhoben. Wie Nike sich, kurz vor dem EU-Beitritt Polens 2004, um deutsch-polnische Verständigung bemüht, so der streng konservative Verein jetzt um Nike. Das berühmte Dreikönigstreffen im Sommer 1706 in Caputh zum Anlass nehmend, lud man die Damen kürzlich zum „Europäischen Sommerfest“ in das kurfürstliche Schloss an der Havel. Die Anfahrt war mit dem Dampfer von Wannsee her geplant, eine Schloss- und Parkführung folgte, bevor man im schönen Kavalierhaus beim Souper über Trennendes und Gemeinsames parlierte. Wie vor knapp 300 Jahren Friedrich I. von Preußen, der Polenkönig und Kurfürst Friedrich August von Sachsen (,,der Starke") sowie König Friedrich IV. von Dänemark die Grundzüge einer gemeinsamen europäischen Politik besprachen, so sollte es auch diesmal sein, am selbigen Ort. Für die kulturelle Umrahmung sorgte ein leider namenloses Streichquartett aus Stettin mit gemeinsamer Herkunft von Posen. Das Ehepaar Ewa und Tomasz Rutkowski (Geigen), Izabela Joniec (Bratsche) und Katarzyna Smolen (Cello) spielte mit Liebe und sehr viel Gefühl Werke von Joseph Haydn, Adam Jarzebski und zwei Stücke „alten Stils“ aus der Feder des Gegenwartskomponisten Henryk Mikolaj Górecki. Mit polnischem Charme und großer Sachkunde führte Nike-Chefin Lucyna J. Krolikowska durch den musikalischen Teil dieser Begegnung. So erfuhr man, dass deutsche Theatergruppen zur Zeit der Romantik Shakespeares „Hamlet“ in Polen „einführten“, selbiger spielte während der stürmischen 80er unter der „Solidarnoscz“-Welle auch eine nicht unbeträchtliche politische Rolle. Nach der politischen Wende zog sich der Dänenprinz aus Polen zurück. Dänische Wachsamkeit verhinderte auch die Hochzeit des polnischen Diplomaten Graf Jan Teczynski mit der schwedischen Kronprinzessin Cecylia im 16. Jahrhundert. Einen Tag vor seiner Hochzeit verstarb der unter Spionageverdacht stehende Gesandte in einem Stockhaus der Dänen. Zwei polnische Literaten schöpften aus diesem Stoff, Jan Kochanowski und Julian Niemcewicz. Derart auf Gemeinsamkeit präpariert, gingen die beiden „e.V.“ zur Tagesordnung über. Nike weiß sehr wohl von den streng konservativen Grundsätzen der Preußischen Gesellschaft, welche, in Tradition mit der Reformpartei von 1807, ihren Beitrag zur „Aufarbeitung der preußisch-polnischen Geschichte“ und dem Abbau „gegenseitiger Vorurteile“ leisten möchte. Aber Lucyna J. Krolikowska ist solche „Offenheit“ lieber als diplomatisches Versteckspiel. Sie erinnerte an die ungezählten Vorboten heutiger Nähe zwischen „dem Osten“ und Deutschland: Wer weiß schon, dass Angela Merkel fließend Russisch spricht und die FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper aus dem Polnischen dolmetscht? Mehr noch: Als Dresden im letzten Jahr überschwemmt wurde, wollten viele Polen spontan helfen – sie dachten an „ihren“ Sachsen-König, den starken August, zurück! Wenn das so ist, dann wird man, in Zukunft, auch Gemeinsamkeit mit jenen „Preußen“ finden, die alles Nationale fördern und sogar über einen neuen Staat im Staate räsonieren, wie die Vereinspostille „Preußischen Nachrichten von Staats- und Gelehrten Sachen“ in ihrer neuesten Nummer mitteilen. Eine Verbrüderung oder Verschwisterung allerdings fand am Sonntag nicht statt, zu viel sind der „offenen Themen“. Man hielt vornehm Distanz, lobte aber zugleich den „ersten Austausch von Standpunkten“, man gab sich gesprächsbereit und europaoffen, um dennoch seinen eigenen Ansichten die Treue zu halten. So sind die Königskinder eben. Drei Monarchen - zwei Vereine, nichts Offizielles: Alles e.V. und alles in spe am Schwielowsee.
Gerold Paul
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