KulTOUR: Du bist mein einziges Glück
Zum Abschluss der Zeitsprung-Ausstellung: Ein Fanny-Hensel-Programm mit viel Harmonie
Stand:
Von Gerold Paul
Schwielowsee - Jeder „Zeitsprung“ findet mal ein Ende, sonst wäre es ja keiner. Seit Mitte August hatte man es in Schloss und Heimathaus Caputh sowie in Werders Stadtgalerie mit einer mehr als geballten Ladung von wahlweise mutigen oder anmutigen „Frauen in Brandenburg-Preußen“ zu tun. Selbstverständlich kam das Leitkultur-Thema dieses Jahres allerorts prima an. Jemand schrieb sogar, es hätte ihr endlich die Augen geöffnet. Kultur kann also heilen! Die Finissage zum dreiteiligen Ereignis ist leider nicht mit Marie von Goslich verbunden, dafür mit Fanny Hensel, ihrer Schwester im Geiste. Wer wollte, konnte am Sonntag in der Geltower Kirche schon mal reinhören, was eine Woche später im „Kunst-Geschoss“ das feminine Fest abschließt.
Vom Geltower Frauenchor „Cantabella“ und dem Vokalensemble „Papillon“ aus Potsdam flankiert und begleitet, hatte man es mit einer Art Feier- oder Weihe-Stunde für die jüdische Komponistin christlich-konvertierten Glaubens aus Preußenland zu tun. Ihren Lebenslauf schilderte die Fercherin Menga Huonder-Jenny in mehr oder weniger bewegenden Worten nach der Tendenz vom „Zeitsprung. Die Chöre intonierten dazu vor dem Altar Terzette und Gartenlieder von Fanny Hensel.
Aus einer rein jüdischen Bankiersfamilie stammend, stand sie vor und nach dem Tod ihres Vaters, der beide Kinder ob gesellschaftlicher Vorteile 1816 hat protestantisch taufen lassen, stets im Schatten ihres berühmten Bruders. Das war zwar damals nicht mal in jüdischen Familien ungewöhnlich, übt aber heute auf ganz besonders fortschrittliche Kreise den Reiz der blanken Empörung aus: Wie konnte man nur, sie war doch „nicht minder begabt als ihr jüngerer Bruder“. So steht es auf dem Mini-Programmzettel. Diese Kreise hatten stets ein Problem mit den Autoritäten. Man konnte eben – obwohl im Berliner Salon, Leipziger Straße 3, so viel „Aufklärung“ betrieben wurde.
Überhaupt war die vorgetragene Vita in ihrer weiblich-solidarischen Larmoyanz mehr als verwunderlich: Papa Abrahams Tod wurde politisch korrekt als „Befreiung von der väterlichen Autorität“ bezeichnet, die Künstler-Ehe mit dem Hofmaler Wilhelm Hensel als sehr harmonisch. Kein kritisches Wort, die Fanny muss wirklich eine Perle gewesen sein. Ihre emanzipatorische Tat nun bestand einfach darin, dass sie ein paar Lieder ohne Erlaubnis ihres Bruders veröffentlicht hatte, das war 1846, ein Jahr vor ihrem jähen Tod.
Der Frauenchor „Cantabella“ versuchte mit fünf Terzetten der Komponistin seinem Namen Ehre zu machen, auch wenn die kirchliche Akustik da nicht immer mitklingen wollte. Die Dirigentin Susette Preißler legte bei der Einstudierung größten Wert auf Ausdruck, so wurde „Abschied“ auffallend flott intoniert, „Wandl ich in dem Wald“ eher elegisch. Die Zeile darin „du bist mein einziges Glück“ war aber nicht feministisch gemeint. Wie in den „Gartenliedern“ Opus 3, hörte man auch hier modernes Komponieren heraus – und viel Harmonie! Letztere handeln auffallend viel vom „Wald“, der mal abendlich rauscht, die Bäume rauschen lässt, Nr. 6 „Im Wald“ mit hübschen Echo-Effekten und anderen Finessen. Alles erlesen und sehr kantabel. Das Vokalensemble verlieh diesen Liedern so viel Glanz, dass man die feministische Wort-Einseitigkeit fast vergessen konnte. Warum sollen Frauen denn nicht komponieren? – Hat ja auch nie einer gesagt.
Am kommenden Sonntag, 15 Uhr, Finissage in der Stadtgalerie Werder mit diesem Fanny-Hensel-Programm
Gerold Paul
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