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Leid der Kinder. Thomas Billhardt mit einer Aufnahme aus Kambodscha.

© hkx

Potsdam-Mittelmark: „Du musst hin, wenn andere flüchten“

Der Kleinmachnower Fotojournalist Thomas Billhardt stellt seine Bilder im Teltower Bürgerhaus aus

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Teltow - Es ist ein typischer Billhardt: Eine Kampfbrigade übt mit geschulterten Gewehren den Gleichschritt, doch zwei halbnackte Kinder mit Blechtöpfchen in der Hand haben sich in der Formation verirrt. Sie schauen ängstlich, irritiert, die Bewaffneten angespannt. Das Bild ist 1983 in bürgerkriegszerrütteten Mosambik entstanden. Thomas Billhardt war damals bereits der bekannteste Fotodokumentarist der DDR, seine Aufnahmen aus den Krisengebieten der Welt erschienen auch in West-Magazinen. Morgen wird eine Ausstellung mit seinen Fotografien im Teltower Bürgerhaus eröffnet.

Billhardts Laufbahn beginnt mit einem Kuba-Aufenthalt. Nach einer fotografischen Ausbildung, einer Anstellung als Werksfotograf beim Braunkohlentagebau und einem Fotografiestudium wird der gebürtige Chemnitzer 1961 von der Jugendorganisation FDJ nach Kuba geschickt, um die Revolution abzubilden. Er wächst an der Aufgabe, beginnt als Pressefotograf, 1967 führt ihn ein Auftrag nach Vietnam. Er wird einer der wenigen Fotografen sein, die sich frei in Nordvietnam bewegen können, lernt alles Facetten der Krisenberichterstattung kennen. „Du musst hin, wenn andere flüchten“, sagt er.

Vor seinem ersten Einsatz, ein Bombenalarm in Hanoi, habe er im Hotel kaum die Sachen anbekommen und in den Spiegel geschaut. „Dort habe ich Angst gesehen.“ In jenem Jahr entsteht sein berühmtestes Foto: Ein Airforcepilot, wie er von einer zierlichen vietnamesischen Bäuerin mit vorhaltenem Gewehr abgeführt wird. 30 Jahre später besucht ihn der Amerikaner in Kleinmachnow – und erzählt ihm, dass er schon lange gefangen gewesen war, das Bild gestellt wurde. „Es ist damit nicht weniger authentisch geworden.“

Dreizehnmal ist Billhardt in Vietnam, besucht dann auch andere Krisengebiete, Angola, Chile, den Libanon, Palästina, Nicaragua, Bangladesch. „Der Sozialismus in der DDR hat nicht funktioniert“, sagt der 76-Jährige heute. Man könne Menschen nicht einmauern. „Er war aber besser als Krieg.“ Billhardt will das mit Fotos erzählen, die Menschen, die nicht hinter die Mauer schauen dürfen, aufwühlen.

Oft erzählt er Krieg und Elend aus der Perspektive von Kindern, die bewaffnet werden, ein karges Mahl verschlingen oder am Grabkreuz der Eltern stehen. Mehrmals kommt er selbst nur knapp davon, als ein glühend heißer Granatsplitter neben ihm einschlägt, ein selbst gebasteltes Gewehr losgeht oder bei der Motivsuche das Feuer eröffnet wird.

1988 werden seine Bilder bei der Unterzeichnung der Kinderrechtskonvention im New Yorker Hauptquartier der Unicef gezeigt, die Ausstellung mit dem Titel „Kinder haben Rechte“ reist um den Globus. Weltweit erscheinen Fotos in 64 Bildbänden, Illustrierten wie dem Time Life Magazin, dem Spiegel, dem Paris Much oder der Literaturnaja Gazeta.

Nach der Wende reist Billhardt in den Balkan, fotografiert, „so nah vor unserer Haustür“, den Bosnienkrieg. Der Stern veröffentlicht nicht die aufwühlenden Bilder, die er für die besten hält, sondern Schock, Verletzte, Leichen. Anschließend macht er Werbefotos für eine Gasfirma und Iveco, fotografiert Alleen, Campingplätze für die ADAC-Motorwelt, bevor er sich mit seiner Frau eine Zollstation in der Emilia Romagna ausbaut. Der Ruhestand macht ihn unruhig. „Ich wurde fett vom Wein und vom guten Essen.“

Sein Sohn Steffen, selbst Fotograf, holt ihn zurück ins Fotografenleben auf die Philippinen, in Manila macht Thomas Billhardt, was er am besten kann: Er geht in die Slums, fotografiert Leid und kleine Freuden der Kinder. „Ich habe oft nachgedacht, warum mich die Leute machen lassen.“ Er glaubt, sie spüren, dass es ihm vor allem um das Schicksal der Kinder ging.

Billhardt wärmt seine alten Kontakte zur Unicef wieder auf, fotografiert seit 2008 für das Kinderhilfswerk in Indonesien, Kambodscha, China. Für die Bilder, die in Unicef-Veröffentlichungen, auf Plakaten und im Internet erscheinen, nimmt er kein Geld. Es sind die Bilder, die unter dem Titel „Begegnungen im Fernen Osten“ jetzt in Teltow zu sehen sind. Zur nächsten Frankfurter Buchmesse bereitet er mit dem Brausverlag einen Bildband vor mit seinen 500 besten Fotografien. „Mein Lebenswerk“, sagt er. Henry Klix

Vernissage am 1.8. um 18 Uhr im Bürgerhaus, Ritterstr. 10, geöffnet Mo-Do 9 bis 16 Uhr, Di 8 bis 18 Uhr.

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