zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: „Du sollst dich erinnern“

Freya Klier zu Gast in der Stadtbibliothek Werder

Stand:

Freya Klier zu Gast in der Stadtbibliothek Werder Werder - Auch der letzte Stuhl war besetzt, sogar ein kleines Sofa wurde noch von den Bibliothekarinnen rangeschleppt. Die Stadtbibliothek Werder hatte die Idee, die Adenauer-Stiftung machte es möglich: eine Lesung und Diskussion mit Freya Klier, der Bürgerrechtlerin, Autorin und Regisseurin, die 1988 aus der DDR ausgewiesen wurde und die nicht müde ist, sich sich mit jüngster Geschichte und deutschdeutscher Gegenwart auseinanderzusetzen. Klier macht viel soziale Arbeit, schreibt an einem Film, sitzt bei Staatsministerin Weiss in einer Arbeitsgruppe für Gedenkkultur und DDR-Geschichte... „Zwei Drittel meiner Aktivitäten besteht aus Subbotnik“, ist ein Satz, den wohl nur ausdenken und sagen kann, der die DDR quasi mit der Muttermilch aufgesogen hat. Freya Klier liest an diesem Abend zwei Geschichten aus ihrem 2000 bei Ullstein erschienenen Buch „Wir Brüder und Schwestern“ – sie hat eine Geschichte ausgewählt, die sie denen gewidmet hat, die als Linke im Westen ein schier blauäugiges Verständnis zum anderen deutschen Staat enwickelt hatten und nach der Wende eine verlorene Illusion betrauerten. Die zweite Geschichte handelt von einem Kollegen aus gemeinsamer Zeit am Senftenberger Theater. Der hatte bis kurz nach der Wende einen gut bezahlten Job als Bordmusiker bei der Rhein-Main-Schifffahrt, verschuldete sich als gutgläubiger DDRler horrend, verliert den Job und tritt die Flucht an nach Paris, wo er als Straßenmusiker Stammgast in Suppenküchen wird. Als an einem Nachmittag ein Frauenduo nach dem Weg fragt, im schönsten sächsisch und direkt auf ihn zusteuernd, ist es um ihn geschehen ... Die Klier läuft zu Höchstform auf und es sächselt munter hier im Brandenburgischen. Klier ist 1950 in Dresden geboren und ist nur wenig älter als das Land, in dem sie aufwuchs, zur Schule ging, lernte, arbeitete, studierte. Als ihr Bruder wegen des Tauschens von Beatles- und Stonestexten Mitte der 60er verhaftet wird und wegen Staatsverleumndung zu Zuchthaus verurteilt wird, will Klier die Republik verlassen – und wird beim Fluchtversuch erwischt. Durch Fürsprache einer Theaterfrau wird ihre Bestrafung zur Bewährung ausgesetzt, sie kann Schauspiel studieren. Sogar ein Regiestudium am Berliner Wekwerth-Institut ist möglich. Regisseur Peter Wekwerth selbst ist es, der seine Studenten kritisches Denken lehrt. Für ihre Inszenierung von Plenzdorfs „Legende vom Glück ohne Ende“ (von Carow unter dem Titel „Die Legende von Paul und Paula“ verfilmt ) am Theater in Schwedt, erhält die Klier den DDR-Regiepreis. Der politische Druck auf Klier wächst mit ihrem Engagement in der Friedensbewegung, vor allem, als sie sich mit Liedermacher Stefan Krawczyk zusammentut. Das unliebsamen Paar wird 1988 abgeschoben. Freya Klier siedelt sich in Westberlin an. „In Berlin war es wirklich gar keine Schwierigkeit irgendwie an der Mauer zu wohnen“, sagt sie. Solche selbstironischen Sätze sind es, die der Künstlerin an diesem Abend ungehemmte Zustimmung aus dem Publikum verschafft. Im Gespräch macht Klier deutlich, dass die DDR-Diktatur für Künstler immer eine Herausforderung war und eine Möglichkeit sich einzubringen und sich auseinanderzusetzen. Der Künstlerberuf bringe es ohnehin mit sich, dass der befreiende „Urschrei“ nicht in teuer zu bezahlenden Managerseminaren erlernt werden müsse, sondern schon allein im Handwerk des Berufes begründet sei. Eine Vision von einer neuen Gesellschaft habe sie nicht, aber sie lebe das Miteinander der Menschen „unterhalb jeglicher Geldschwelle“, getreu der Erziehung durch Mutter und Großmutter – sie erhoffe sich ein menschliches Bild, hilfsbereit, selbstlos, freundlich. Zum Geburtstag schenkte ihr Tochter Nadja den Internetauftritt – die Website zitiert das „11.Gebot“: „Du sollst dich erinnern“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })