KulTOUR: Duchamp für alle
Pfundschwere Post-Avantgarde in der GalerieTöplitz
Stand:
Werder (Havel) - Nach der Winterpause und einem Personalwechsel an der Spitze präsentiert der Havel-Land-Art e. V. am Wochenende seine erste Ausstellung in der Töplitzer Galerie gleich neben dem Kirchlein. Exklusiv für diese Exposition gefertigt, haben es die beiden Stadt-Künstlerinnen Juliane Solmsdorf und Antje Majewski auf gerade mal sechs Sachen gebracht, und was für welche! Ihr gemeinschaftlich-individuelles Werk mit dem doppelsinnigen Titel „EYLAND“ will sowohl auf das Auge wie auch auf die Insel verweisen, darauf man nun ausstellt. Die Hochkunst muss eben aufs Land, in die Idylle!
Sie scheinen von der Idee besessen, dem eher unerfahrenen Landmann ihre Vision von Avantgarde mitzuteilen, auch wenn die inzwischen in die Jahre gekommen ist. Es geht ihnen um den französisch-amerikanischen Erz-Avantgardisten Marcel Duchamp (1887-1968), den sie sich als Denkvorlage und rezeptives Leitbild ausgeborgt haben. Als die Idee noch einigermaßen frisch war, baute er aus den Worten „Wasserfall“ und „Leuchtgas“ ein Diorama, welches in Übersee noch heute als kostbares Gut behütet wird. Die Konzeption von „Eyland“ bezieht sich sowohl ästhetisch wie auch konzeptionell auf diesen Ansatz: Man bekommt es ab Sonnabend also mit pfundschwerer Post-Avantgarde zu tun – oder nur mit ihrer adeptischen Nachhut?
Malerin Antje Majewski ist mit zwei großformatigen Arbeiten geradezu flächendeckend vertreten. Zum einen zeigt sie ihre Mitausstellerin „Juliane Solmsdorf beim Abformen ihres Knies“, was offenbar nur splitternackt möglich ist. Das gleich große Bild gegenüber präsentiert mit „Mame Ndyaré“ den Rückenakt einer dynamischen Dame, die im Begriff ist, eine recht kommode Muschel zu besteigen. Mythologie aus Kapverden. Der Hintergrund ist zwar unicolor und recht surrealistisch hell. „Die Landschaft“, heißt es in der Presse-Erklärung freilich, sei „dem Naturkundemuseum Berlin entnommen“. Also auch dort ein surrealer Ort.
Nun fragt man sich natürlich, wie das Volk der Paganier die vielen Bezüge auf Marcel Duchamp samt Surrealismus finden und dann auch noch dechiffrieren soll, falls man den guten Mann gar nicht kennt? Gemach, jener ausgelegte Beitext ist so verfasst, dass jeder ihn verstehen kann. Er erklärt alles. Vielleicht auch Juliane Solmsdorf, in besagtem Akt angeblich allem Voyeurismus entzogen, da „aktiv“: Ihr kostbar geformtes Knie ist eines ihrer Ausstellungsobjekte, zwei andere zeigen den täuschend echten Nachbau zweier Aufsteller für Sonnenbrillen auf der Einkaufsstraße – mit echten Sonnenbrillen dran! Hier sollen die Löcher für die Sonnenbrillenbügel Duchamps epochemachendes Diorama zitieren. Er wollte darin „Landschaft“ nur binokular wahrgenommen wissen, nach Art einer Peep-Show, Kunst zum Suchen.
Ein letztes Werk, marmorgesockelt und wiederum explizit für Töplitz – soll man geschaffen sagen? – bleibe nicht außen vor. Es handelt sich um eine besonders eindringliche Hommage an den unbekannten Franzosen: Man hat einen mit Feinsand gefüllten Glasbehälter vor sich. Kein Aquarium, das Ding nennt sich „A falling Water“. Was sich da so „falling“ präsentiert, ist nichts weniger als der von der Künstlerin eigens produzierte „Urinstrahl“. Da ist man platt, und reibt sich die Eyes. Ja, das war’s schon. Ein schmales Werk für viel zu viele Worte.
bis 25.4. Sa-So 14 bis 18 Uhr, Mo-Fr 16 bis 18 Uhr; Vernissage am 17.4. um 17 Uhr
Gerold Paul
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