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Potsdam-Mittelmark: Ein amouröser Garten der Künstlichkeit

Das Brauhaus in Werder verwandelte sich zur Galerie / Premiere mit Spiekermann und Denkler

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Das Brauhaus in Werder verwandelte sich zur Galerie / Premiere mit Spiekermann und Denkler Von Gerold Paul Werder. Platz ist da, genug für alle jetzt, die in Werder und Umgebung Ateliers betreiben und unter der Rubrik Kunst eig''ne Lorbeeren verdienen möchten. Seit Donnerstag will das schmuck hergerichtete Alte Brauhaus mitten im Zentrum der Stadt dank seines neuen Besitzers, der HVB Immobilien AG Berlin, auch ein Haus für Kunst und Künstler sein. Von außen dezent beleuchtet, innen noch putzfrisch, begrüßten schon Foyer und Treppenbereich die Besucher mit Gestaltetem von Kerstin Spiekermann und Michael Denkler. Beide, mittlerweile über Vierzig, studierten an der HBK in Braunschweig. Sie scheinen sich seitdem derart „verschwistert“ zu haben, dass sich die Initiatoren der allerersten Ausstellung, neben der Hypovereinsbank auch die Stadt Werder, entschlossen, alle Arbeiten des Künstlerpaares unbetitelt zu lassen. Der zur Vernissage mit Kerzen und vielen Gästen geschmückte Saal samt seiner vier Säulen befindet sich willentlich im Rohzustand, genau hier wurde einst das Bier von Werder (Havel) gemacht, im Brauraum. Fünf eiserne Schienen zeugen noch heute davon, doch sie sind, neben einem künstlichen Teppich aus Grün, das Zentrum einer Konzeption, welche das Werk der beiden Produzenten durch den Raum genauso anregen soll, wie umgekehrt auch. Ihr Titel ist von einladender Anzüglichkeit: „Der amouröse Garten“. Landschaftsarchitektin Barbara Hanke, in die Ausstellung einführend, sieht in dieser „Rauminstallation“ viel Symbiotisches: Von Material und Farbe, von Ort und Gebilden, von einem ungestalteten Raum und seiner imaginierenden Wirkung auf die Werke der Künstler – in Bezug auf den Rezipienten und möglichen Käufer, denn alles Ausgestellte kann erwerben, wer will. Weniger leidenschaftlich nennt die HVB ihr so begrüßenswertes Engagement für die Kunst in Werder „innovativer Marketingansatz“. Dergestalt soll das Alte Brauhaus künftig genutzt werden: Anmelden – Schaffen – Ausstellen. Ganz einfach. So findet man, auf Schienen gebettet, einen künstlichen Rosengarten, der, wie vieles andere auch, an den Hof des Kaisers von China erinnert, bevor Andersens „Nachtigall“ ihn mit lieblicher Natürlichkeit belebte, ein Blumenfeld wie geklont erscheinender Pflanzen, deren Materie, nun staunt man, aus Schaumstoff besteht. Wer kann, mag Schaumschlägerei dieser verrückten Gesellschaft assoziieren. Eine Ausstellung zwischen Deko und Kunst? So scheint es. Dieselben Rosen wollen auch die Wände des Brauraumes zieren, man findet sie überall, in diesem amourösen Garten der Künstlichkeit. Übermalte Collagen aus Fotos und Papier genauso, stets das eine Thema variierend, lüsterne Brüste, offene Schöße, den gebewilligen Phallus, na klar, in Ein- und in Mehrzahl. Der Kunstwert solcher Arbeiten ist bei vielen Objekten oft auf den zweiten Blick nicht leicht zu erkennen. Da tummelt sich etwas, das in seiner grobgeschäumten Gestalt eckig wirkt und angemalt, wie Theater-Staffage. Amphibisches Fabelgetier aus Holz an den Wänden. Vieles frönt der zweiten Dimension, einer Fläche, die oftmals gestanzt und durchbrochen ist. Nicht lüstern (das Amouröse ist nicht Sache der Lenden, sondern spirituell), eher von undurchsichtiger Ästhetik, der dritte Blick auf ein solches Objekt an der Säule lässt ein Frauenporträt erkennen, verwaschen, das ist wie verloren, die Forma schön, von einem gewaltigen Busen ergänzt. Der and''ren Objekte sind viele, doch sah man kein Bäumlein aus wirklichem Grün. Überhaupt scheint es diesem behaupteten „Erlebnisraum“ an Distanz zu gebrechen, alles will echt sein, was doch nur künstlich ist. Doch jede Wette, reziprok: Wer sich lange genug darin aufhält, der glaubt die Konzeption. Dem unverdorbenen Zweifler aber tun sich Fragen auf: Muss Substanz nicht von den Bildern und Objekten kommen, statt aus der Korrespondenz mit dem Raum? Spiekermann/ Denkler zeigen nicht, was Egon Schiele dem Voyeur offenbart, sie wollen stilisieren, andeuten, erregen, auch spielen, aber das Material trägt nicht, auch der Raum verweigert diesem Konzept seine Teilnahme. Man findet sich zwischen Sinnlichkeit, Deko und Abstraktion: Irgendwo. Auch ein Ergebnis wie ein Erlebnis. Stellvertretend für den Bürgermeister freute sich Hartmut Schröder im Namen der Stadt. Diese Ausstellung gibt es bis zum 21. Dezember. Der Eintritt in den „amourösen Garten“ ist frei. Öffnungszeiten Do. u. Fr. 16 bis 19 Uhr Sa. und So. 14 bis 17 Uhr.

Gerold Paul

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