Von Henry Klix: Ein Blütenfest im neuen Werder
Zum Streit um den Festrummel auf der Inselstadt
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Werder (Havel) - Morgen beginnt das Baumblütenfest 2008 – und es hätte beste Voraussetzungen für eine Punktlandung: Es kam in den vergangenen Jahren nur noch selten vor, dass die Kirschblüte so genau auf die Festwoche (26. April bis 4. Mai) fiel. Doch eine dicke Wolke hat sich vor die Sonnenstrahlen geschoben: Sponsoren sind abgesprungen, Reisegruppen haben abgesagt, nachdem im ZDF und im RBB Bilder von wüsten Sauforgien ausgestrahlt wurden und die Bild-Zeitung von einer „Doppelmoral“ im Rathaus Werder schrieb, weil die Schnapsleichen auf der Festmeile zehn Tage geduldet, die Straßentrinker auf dem Plantagenplatz aber mit einem dauernden Alkoholverbot belegt würden.
Nun ist das Baumblütenfest keine stadtweite Sauforgie, wenngleich der Genuss von rund 250 000 Litern Obstwein im Mittelpunkt steht. Es ist unter der Woche Stadtfest, am Wochenende Kirmes, Familienfest und Touristenattraktion in Einem, wenn man die richtigen Schauplätze findet. Man trifft alte Freunde, schließt bei einem Gläschen neue Bekanntschaften, sieht die Stadt mit den Augen der Touristen. Bei manchem wird es ein Glas zu viel. Bei allen Erfolgen in der Polizeibilanz lassen sich über 200 Straftaten beim Baumblütenfest 2007 nicht einfach wegnebeln. Mühelos lassen sich auch die Bilder von Randalierern und Schnapsleichen TV-gerecht zusammenschneiden, wenn es passt. Das tut es derzeit wohl: Ganz Werder – ja ganz Obstwein-Deutschland – spricht über die Gruppe von Protestlern, die „Initiative 2008“, die sich mit gekonntem Medienrummel aufgemacht hat, das Fest zu verändern. Sie kommt reichlich zu Wort, doch wird sie in Werder auch gehört?
Dass die Werderaner „abgeschlossen, allem Fremden und Neuen abgeneigt“ sind, hat schon Theodor Fontane in seinen „Wanderungen“ geschrieben. In den Augen einiger Werderaner ist es selbst heute noch ein Manko, wenn an der Spitze der Initiative 2008 auch Neubürger stehen. Das Problem: Sie werden bleiben. Es nutzt alles nichts, die Werderschen werden sich mit ihnen befassen müssen. Das Baumblütenfest ist gleich Werder – seit 130 Jahren Werder. Zum neuen Werder gehören jetzt auch jene Zugezogenen, die die Chancen der Inselstadt richtig erkannt und ihre Geldbeutel für die Sanierung der wunderbaren Altbausubstanz geöffnet haben.
Ihre kritischen Briefe ans Rathaus blieben unbeantwortet, für die Medien ergab sich derweil ein dankbares Thema. Die Stadt kann nicht mehr weghören, wenn die neuen Insulaner und auch einige Werdersche recht vernehmbar eine sanftere Festvariante auf der Inselstadt fordern. Und übrigens kein Ende des Blütenfestes, wie ihnen von den Befürwortern des Baumblütenfestes und dem Verein Werder24 untergemogelt wurde! Vielmehr will die Initiative in historischen Kostümen sogar am Festumzug teilnehmen.
Vielleicht wird es ja auch gar nicht so schwer, miteinander ins Gespräch zu kommen, die Gelegenheit zu nutzen und etwas nachzujustieren. Einige Schritte ist man schon aufeinander zugegangen, es gibt mehr Toiletten, Lärmkontrollen, hohe Strafen für „WC“-Verweigerer Der Vertrag mit der Veranstaltungsagentur des Baumblütenfestes läuft nächstes Jahr aus. Die Stadt hat es in der Hand, Rummel, Musikkonserven und Konzerte auf der Festmeile, dem Hartplatz und der Friedrichshöhe zu konzentrieren, die Tür zur Inselstadt statt für Groß-Sponsoren noch ein bisschen weiter für regionale Anbieter, historisches Handwerk, Künstler und Theaterleute zu öffnen. Das Potenzial ist vorhanden. Auf der Bismarckhöhe testet das Rathaus, wie Geschichte und Gegenwart zu verketten und gewinnbringend zu vermarkten sind. Wenn dann noch zum richtigen Zeitpunkt die Kirsche blüht, könnte das auch beim Baumblütenfest gelingen.
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