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Potsdam-Mittelmark: Ein Boot als Botschafter

Das „Havelwunder“ aus Werder soll ab August bis nach Holland reisen, um für die Blütenstadt zu werben

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Werder · Glindow - Es ist alt, es ist bunt, es ist noch lange nicht fertig. Was schon im August als „Havelwunder“ auf seine zweite Taufe wartet, steht derzeit noch in einer Werfthalle am Glindow-See neben der „Porta Helena“: Das etwa acht Meter lange Kajütboot der „Viktoria“-Klasse, Herkunft Alkmaar in Nordholland, Baujahr 1969, Masthöhe zehn Meter, Gesamtfläche etwa hundert Quadratmeter.

Es gehört zu den Oldies seiner Branche und wäre längst „untergegangen“, wenn nicht der Berliner Liedermacher Peter Weymann seinen Glindower Freund, den Hogab-Chef Wolfgang Hotzel, mit einer Glanz-Idee auf den ausgedienten Kahn hingewiesen hätte. Ein Boot, neu aufgebaut, wäre wahrscheinlich so glänzend nicht, aber ein komplett rekonstruiertes und dabei lückenlos künstlerisch durchgestaltetes? Das ist neu – wenigstens verweigert das Internet bei diesem „und“ jede Auskunft. Also fragten die begeisterten Segelfreunde im Januar den in Helmste bei Stade geborenen, seit 1994 in Werder lebenden Künstler Arno C. Schmetjen, ob er diese Arbeit übernehmen würde. Er hatte „so etwas noch nie gemacht“, gleichwohl er die „Freie Kunst“ zwischen 1984 und 1990 mit einem Diplom in Hannover abgeschlossen hat. Mit seiner Zusage bekam er von den beiden Initiatoren künstlerisch freie Hand, dazu alle Mittel, die nötig sind, um das Boot in ein „schwimmendes Kunstwerk“ zu verwandeln – spezielle Lackfarben zum Beispiel, die sehr viel rascher trocknen als Öl und Acryl. Es muss also seit zwei Monaten rasch gearbeitet werden, kein Hindernis für einen, der es gewohnt ist, „wie ein Mondsüchtiger aus dem Bauch heraus“ zu schaffen: „Als ob meine Hände programmiert sind“. Am Wochenende konnten sich Interessierte dem Künstler vor Ort dabei zusehen. Von einem Segel fehlte am Sonnabend noch jede Spur, nur der Rumpf des „glasfaserverstärkten“ Kunststoffbootes (GFK) war aufgebockt. Bug und Heck, backbord und steuerbord – jedes Teil der Bordwand wird in dezenten Farbtönen anders gestaltet, sogar das Unterschiff, aber das wird nur die Taucher interessieren. Kontraste findet man genauso wie Ton-in-Ton-Malerei, abstrakte Formen von auffälliger Buntheit mit hübschen Details, springende Fische, Figuren, wahlweise als korpulente Damen oder als Nixen zu interpretieren.

Augenspringende Gestaltung ist beabsichtigt, denn einerseits soll das „Havelwunder“ in spe dergestalt für die Region werben, andererseits gibt die mitgelieferte URL sehr dezente Winke, mal nachzuschauen, was unter dieser Adresse noch so alles los ist, Liedermacherei zum Beispiel. Ganz schön clever. Das Boot soll nach seiner Taufe Mitte August „ständig bewegt“ werden, auf den Havelgewässern, im Hamburger Hafen, in der Kieler Förde, sogar an Alkmaar ist gedacht.

Wie man die Innengestaltung dabei zu Gesicht bekommen soll, war leider nicht zu erfahren. Das Besondere ist ja der Anspruch, keinen Teil bei der kunstvollen Gestaltung auszulassen, weder unten noch oben, weder Deck noch Kajüte, weder Mast noch Segel, welches demnächst per Hand zu bemalen ist. Die Elektrik wird das Gesellenstück eines Lehrlings, der extra von seinem Dienstherren freigestellt wurde. Drei LKW-Batterien sollen für die Illumination bei Nacht sorgen, ein neuer, geräuscharmer Motor für ungestörte Romantik beim Segeln und Werben. Finanziert wird alles von den beiden Freunden, aus Spaß an der Freude. Auch Ideen für die Taufe im Haussee liegen vor – sechs Ämter gaben bereits ihr Ja-Wort. Der Rest, klar, ist Überraschung.

Gerold paul

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