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KulTOUR: Ein Bretterhaus mitsamt seinem Geist

Bauhistorisches Fach-Kolloquium in Caputh zum Architekten des Einstein-Hauses, Konrad Wachsmann

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KulTOURBauhistorisches Fach-Kolloquium in Caputh zum Architekten des Einstein-Hauses, Konrad Wachsmann Schwielowsee · Caputh - Holz, so stand es am Freitag im Anbau vom Schloss Caputh auf großen Tafeln geschrieben, begründe als „Baustoff des 21. Jahrhunderts“ eine „neue Ära des Bauens“. Es setze bezüglich Schnelligkeit, Energieeffizienz und Wertstabilität sogar „innovative Maßstäbe“. Das hatte der junge Architekt Konrad Wachsmann schon 1929 getan, als er Albert Einstein ein Sommerhaus dieses Materials errichtete. Holz hin – Beton her, wenn er später für seine zweckgebundenen Konstruktionen wie Häuser, Fabriken und Siedlungen auch Beton bevorzugte, gilt er doch bis heute als „Pionier des industriellen Bauens“. Japan verdankt ihm viel an Innovation, die schmucke Plattenbauweise der DDR beruft sich ebenfalls auf ihn. Am Freitag nun ventilierte ein gutbesuchtes Fach-Kolloquium im besagten Seitenflügel „Aspekte der bauhistorischen Relevanz“ Konrad Wachsmanns für die hiesige Kulturlandschaft. Eingeladen hatten das Brandenburgische Bauministerium sowie der Initiativkreis Albert-Einstein-Haus Caputh. Es war zugleich der offizielle Abschluss des physikalischen Jubeljahres. Zu den Themen gehörten Nutzungskonzepte nach der Wiedereröffnung 2005 (Rüdiger Zill, Einstein-Forum), Probleme und Erkenntnisse während der Restaurierung (Mechthild Noll-Minor, Landesamt für Denkmalpflege), aber auch ein Streifzug durch die „unbekannte Moderne“, welche in Caputh und Geltow beginnt und sich über Kalifornien und Niesky bis ins Schlesische hinzieht. Peter Busch (Bauministerium) und Dietmar Strauch (Initiativkreis) moderierten. Nachdem alles ausgesprochen und diskutiert worden war, schloss sich eine Besichtigung des Einsteinschen Nebenwohnsitzes an. Es erstaunte den Laien schon, was man inmitten einer achtungsgebietenden Atmosphäre alles über ein Fertigbau-Bretterhaus mitsamt seinem „Geist“ erfahren konnte. So verrät ein hölzerner Außenbalken unterm Wohnraum dem Kenner einen Kompromiss zwischen gewünschter Gemütlichkeit und architektonischer Moderne. Wachsmann konnte sich etwas Bauhaus nicht verkneifen. Seine Baupläne waren zwar nicht für das nächste Jahrhundert bestimmt, aber trotzdem innovativ: Er verwendete nordamerikanische Douglasie als Baustoff, Seegras- und Torfmatten zur Dämmung, verlegte alle Leitungen und Rohre in den Wänden. Schon 1933 zeigten sich erste Schäden am Beton der Treppe, was man der ausführenden Baufirma in Caputh anlastet. Kurze Zeit später wurde es unter der Flachdach-Konstruktion feucht, eine Fehlkonstruktion, erst jetzt mit viel Aufwand korrigiert. Die Besucher werden am frisch und kostenaufwendig restaurierten Wallfahrtsort nichts mehr davon entdecken, doch wie sagte ein Teilnehmer rechtens: „Man sieht, was man weiß“. Von „Wertstabilität“ kann wohl keine Rede sein. Wachsmann, Mies van der Rohe und Walter Gropius – sie und ihre Werke standen im Zentrum eines lebendigen Vortrags von Lars Scharnholz, der das ungeniale Einstein-Haus im Namen des „Instituts für Neue Industriekultur“ nicht nur dem modernen Bauerbe zuordnete, sondern in eine tourismusfähige Vernetzung aller hier und in Polen (Oppeln, Breslau) erhaltenen Bauten der prominenten Konstrukteure des 20. Jahrhunderts einfügen möchte. Auch die Geltower Franck-Villa zählt er dazu, in spe freilich. Eine Kritik der ästhetischen und weltanschaulichen Grundlagen Wachsmann’schen Denkens – Nachahmung der Natur, aufklärerisches Credo, technokratische Begründung, warum man in industrieller Manier bauen müsse – steht aus. Vielleicht ist manches davon auf Holz gebaut, dem ältesten Werkstoff, für die Ewigkeit nichts, aber gut für’s 21. Jahrhundert.

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