KulTOUR: Ein echter Schmied
Monografie über Stahlbildhauer Christian Röhl
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Stahnsdorf - Es riecht nach Stahl und offenem Feuer. Metallarbeit an den Wänden und zu ebener Erde. Eiserne Öfen, an der Wand ein imposantes Werkzeugregal mit dutzenden Hämmern. Ein großer Werkraum, dessen hinterer Teil zu dem knisternden Feuer führt. Holzkloben brennen, Koks glüht daneben. Rustikale Tische mit Kerzen, Weihnachtsgebäck und anderem Leckerwerk luden am Wochenende zum Bleiben in dieser gemütlichen Wärme ein, hier in der Alten Schmiede auf dem Gelände des Stahnsdorfer Südwestfriedhofes.
Nach ziemlichen Mühen ist es Alice Bahra und Thomas Kumlehn gelungen, das noch mit Christian Roehl zusammen erdachte Projekt einer Monografie über den Menschen und Künstler Christian Roehl zu vollenden. Sein Tod 2013 brachte diesen Plan zwar arg durcheinander, verloren aber ging er nicht, im Gegenteil, dieses empfehlenswerte Buch mit dem Titel „Vom Innehalten der Plastik im Raum“ führt eigentlich erst zusammen, was zusammengehört. Dabei kann der seit 1968 in Stahnsdorf freischaffend arbeitende Metallgestalter, Kunstschmied und Stahlbildhauer bereits zu Lebzeiten einen für sein Genre ungewöhnlichen Bekanntheitsgrad aufweisen: Jeder Potsdamer hat schon mal die 1974 entstandene „Hommage Karl Foerster“ auf der Freundschaftsinsel gesehen, seine erste freie Arbeit neben vielen Auftragswerken. Oder das „Wasserspiel“ im ehemaligen Staudenhof, das Spitzbuben einst mit Abwaschmittel ganz illegal und fast zu Tode schäumten – Stadtgespräch und Volkswitz damals.
An diesem Mann ist einfach alles interessant: Die Biografie des 1940 in Berlin geborenen „Metallers“ voller Ecken und Kanten, welche mit protestantischer „Grundausbildung“ im Elternhause begann und wegen versuchter Flucht Anfang der 60er-Jahre ins Gefängnis führte. Später aber trotzdem zu mancherlei Auftrag in Sachen „Kunst am Bau“ – sogar das Westreisen wurde irgendwann möglich. Er hatte sein Handwerk von Grund auf gelernt. Ein bedeutender Stahlbildhauer lobte ihn einst mit den Worten: „Christian, du bist ein richtiger deutscher Schmied!“ Was mal wieder zeigt, dass Kunst nicht nur von Können kommt, sondern auch knochenharte Arbeit ist.
Für die Impulse der Wirklichkeit fand Roehl kunstvolle Entsprechungen, Bild- oder Formideen, die von einer Revolutionsplastik mit Leninzitat über schützende Hände für junges Leben, Friedenssymbole und Kreuz-Darstellungen bis zu schnöden Gartentüren und anderen Gebrauchsgegenständen für viele Städte weithin reichten. Vor allem in der freien Skulptur war er stark. Dies alles braucht das Feuer des Geistes, und die Feuer der Schmiede, damit Kunst daraus werden konnte. Die letzte Stahlskulptur vor dem tödlichen Infarkt hieß „Lebenslinie“.
Nicht nur die Stationen seiner inneren und äußeren Biografie sind in diesem Buch enthalten, auch Wortbeiträge fremder Feder sowie ein vielleicht nicht ganz vollzähliges Werkverzeichnis mit vielen Fotografien. Möglich wurde dieser monografische Kraftakt aber erst durch die Hilfe des Potsdamer Kunstvereins und weitaus mehr als 200 Spendern, die Gemeinde Stahnsdorf inklusive. Wenn nun der Schmied nicht mehr da ist, so bleibt seine Schmiede doch. Zu finden ist der Ort auf der Straße nach Stahnsdorf dort, wo ein schick-futuristisches Wartehäuschen seiner Hand steht. Gerold Paul
Gerold Paul
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