
© Manfred Thomas
Potsdam-Mittelmark: Ein Flirt mit dem Müllpaten
Um die Behörden hinters Licht zu führen, griff Bernd R. auch zu unkonventionellen Mitteln
Stand:
Potsdam-Mittelmark – Es war die typische Ausgelassenheit nach getaner Arbeit – aber wohl auch diebische Freude darüber, die Behörden hinters Licht geführt zu haben. Anstandslos hatten Amt und Landkreis vor drei Jahren ein vermeintlich renaturiertes Feuchtbiotop bei Altbensdorf abgenommen, und das obwohl unter der Erde tonnenweise Hausmüll lagerte. Es muss buchstäblich zum Himmel gestunken haben, zumal sich der Abfall mit dem Wasser mischte. Der verantwortliche Bauherr Bernd R. hatte erklärt, dass der neue Teich in Anbetracht des Wetterumschwungs nur noch mal ausgasen würde. Das sei nicht ungewöhnlich. „Herr R. und Herr N. klopften sich danach gegenseitig auf die Schulter und feixten, wie dumm die anderen waren“, erinnert sich die frühere Sekretärin Anette P..
Im Prozess gegen den Müllpaten von Potsdam-Mittelmark sagten gestern drei weitere Zeugen vor dem Potsdamer Landgericht aus. Dazu gehörten zwei Sekretärinnen des Hauptangeklagten Bernd R. und ein Angestellter, der in den meisten der insgesamt sechs Deponien in Altbensdorf, Wollin, Zitz, Mörz, Rogäsen und Schlamau sowie dem Kiestagebau Schlunkendorf gearbeitet hatte. Der 56-jährige Ex-Polizist und Recyclingunternehmer R. soll zwischen 2005 und 2008 an diesen Orten insgesamt 144 000 Tonnen Siedlungs- und Gewerbeabfälle illegal vergraben haben. Eigentlich hatte er den Auftrag gehabt, die dortigen Dorfmüllkippen aus DDR-Zeiten mit Bauschutt zu versiegeln und zu renaturieren. R. hat bereits ein Geständnis abgelegt und die alleinige Verantwortung übernommen (PNN berichteten).
Dass dies möglicherweise nicht die ganze Wahrheit ist, zeigen jedoch schon die Verfahren und Ermittlungen gegen weitere mutmaßliche Beteiligte an einem der größten Umweltverbrechen in Brandenburg nach der Wende: Neben R. sitzt auch sein früherer Mitarbeiter Frank N. auf der Anklagebank, ihm wird Beihilfe vorgeworfen. Aber auch gegen R’s damaligen Anwalt, gegen seine Frau und seine Tochter wird ermittelt. Ein Vorarbeiter, der für die Deponien verantwortlich war, steht in einem separaten Prozess vor dem Kadi.
Am vierten Verhandlungstag wurde jedoch auch die Frage aufgeworfen, warum die Behörden so gründlich versagt haben. Dass der mutmaßliche Müllpate die zuständige Mitarbeiterin des Wusterwitzer Bauamtes bestochen haben soll, wurde bereits von mehreren Seiten bestätigt. 250 Euro soll er ihr pro Woche gezahlt haben, damit sie ihn informiert, wenn der Kontrolleur des Kreises kommt. Und das war nicht alles: Brigitte M. lebte damals in Scheidung und fand bei R. offenbar eine starke Schulter. Er soll ihr geholfen haben, ihr Haus zu verkaufen, und er soll ihrem Sohn einen Job besorgt haben. „Sie hat mit ihm geflirtet, was Herr R. auch erwiderte“, erinnerte sich Anette P.. Täglich habe sie im Büro angerufen. Doch hinter ihrem Rücken habe er sich schon genervt gefühlt.
Und die Kontrolleure vom Landkreis ? Vor allem Anthony S. hatte Schwierigkeiten zu glauben, dass die gar nichts mitbekommen haben. Der 31-Jährige war damals auf den Deponien dafür zuständig, den geschredderten Müll mit dem Radlader mit Erde zu vermischen. Das Verfahren gegen ihn ist gegen eine Zahlung von 100 Euro an den Naturschutz bereits eingestellt worden.
In knappen Sätzen schilderte der gelernte Maurer, wie es auf den Deponien zuging. „Haben die Abfälle denn nicht gestunken?“, fragte Richter Frank Tiemann. „Ja, vor allem das feingehäckselte Zeug“, entgegnete S.. „Das hätte doch bei der Kontrolle auffallen müssen?“ – „Definitiv“, bescheinigte S, zumal sich selbst im Müll-Erde-Gemisch oft noch zentimetergroße Plastikpartikel befunden haben sollen. „Haben Sie das mal hinterfragt?“, wollte Tiemann wissen. „Nee. Wenn die vom Amt sagen, es ist in Ordnung, dann wird es auch so sein.“
76 Millionen Euro, so groß soll der Schaden sein, den Bernd R. und sein damaliger Mitarbeiter N. unterm Strich im Landkreis verursacht haben. Mit seinem Erlös aus den illegalen Deals, den die Staatsanwaltschaft auf 4,3 Millionen bezifferte, wird der mutmaßliche Müllpate das nicht wieder gut machen können. Der Landkreis Potsdam-Mittelmark könnte am Ende auf den Kosten sitzen bleiben – weil niemand bemerkt hat, dass an den Renaturierungen der Altdeponien Einiges gestunken hat.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: