Potsdam-Mittelmark: Ein gelber Teppich für Kleinmachnow
Eine Projektausstellung im alten Sommerfeldhaus wirbt mit vielfältigen Geschichten für ein dauerhaft partizipatives Museum – an diesem Ort
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Der grellgelbe Teppich signalisiert: „Achtung, dies ist kein gewöhnliches Heimatmuseum!“ Ein Rundgang durch das alte Sommerfeldhaus in der zentralen Karl-Marx-Straße, das kurzzeitig die Ausstellung „Ein Museum von und für Kleinmachnow“ beherbergt, belegt dies mehrfach. Erstens ist die kleine, überraschend vielfältige Schau nur an den Wochenenden geöffnet und soeben bis zum 2. Oktober verlängert worden. Zweitens folgt sie einem ganz anderen, ungewöhnlichen Konzept. „Sie soll vorführen, wie ein partizipatives Museum für Kleinmachnow aussehen könnte“, erzählt die Kuratorin Alexis Hyman Wolff. Seit März hat sie im Auftrag der Gemeinde gemeinsam mit dem Heimatverein und der Museumsinitiative Kleinmachnow daran gearbeitet, wie die Einwohner mit ihren vielfältigen Interessen und unterschiedlichen Sichtweisen auf Kleinmachnow und seine Geschichte einzubinden sind. Anfang Juli etwa konnten sich die Kleinmachnower in einem Workshop einbringen.
Seit Jahren diskutiert die Gemeinde über ein Museum für ihre von Bevölkerungswechsel und Neubau geprägte Geschichte. Im vergangenen Jahr empfahl ein von ihr beauftragter externer Museumsberater Teilhabe und Einbeziehung der Menschen vor Ort – mit anderen Worten: ein „Museum von unten“. „Die Bevölkerung soll bereits in die Konzeption eingebunden werden“, betont Sandra Oppmann, Gründerin der Museumsinitiative Kleinmachnow. Partizipative Museen gebe es bereits seit 30 Jahren, erzählt die promovierte Kunsthistorikerin: „Oft bieten sie Mitmach-Elemente an. Neu ist aber, die Menschen zu fragen, was sie wollen – und Einwohner als Experten ernst zu nehmen.“
Bis zu acht Standorte waren für das zukünftige Museum zeitweilig im Gespräch. Mittlerweile stehen die Auferstehungskirche im Jägerstieg, die die Gemeinde in diesem Jahr erwerben wird – und das Ende der 1920er-Jahre erbaute Holzhaus des Berliner Bauunternehmers Adolf Sommerfeld, das derzeit die Ausstellung beherbergt, zur Debatte. Von hier aus vermarktete er die Häuser der nach ihm benannten Siedlung. „Dieses Haus wäre für ein Museum gut geeignet“, betont Alexis Hyman Wolff: „Es ist zentral für die Siedlungsgeschichte.“ Entscheidend sei nicht die Größe des Hauses, sondern sein Charme und die zentrale Lage, argumentiert auch Sandra Oppmann für einen Einzug des Museums in das denkmalgeschützte, sanierungsbedürftige Gebäude. „Als Keimzelle des modernen Kleinmachnow hat es außerdem einen hohen symbolischen Wert.“
In nur acht Wochen hat die Kuratorin Exponate ins Haus geholt, die teils vom Heimatverein, teils aus Privathäusern stammen. Die Ausstellung verbindet Altes und Neues. Der größte Raum im Erdgeschoss stellt Heimatgeschichte in fast klassischer Weise dar: Hier befindet sich neben der alten Turmspitze der Hakeburg die erste Erwähnung Kleinmachnows im Landbuch Kaiser Karl IV. von 1375, neben rostigen Nägeln der Stammbahn eine alte Kaffeekanne, die in der Nähe der Gasthäuser an der Schleuse gefunden wurde. „Wir bekommen viele Fundstücke unklarer Herkunft“, erzählt die gebürtige US-Amerikanerin, die seit 2012 in Berlin lebt. „Da wird viel vermutet. Auch so wird Geschichte geschrieben.“
Über Kleinmachnow, so die Botschaft, gibt es nicht die eine große Erzählung, sondern wie bei einem Puzzle lassen sich viele kleine und unterschiedliche Eindrücke zusammensetzen. Ein winziger quadratischer Raum – vermutlich eine frühere Besenkammer – ist mit Dokumenten und Fotos bestückt über den Häuser- und Grundstückskampf nach der Wende. Fast 40 Prozent der Grundstücke seien Mitte der 1990er-Jahre von der Rückübertragung an Alteigentümer betroffen gewesen, heißt es auf einer Tafel. Daneben hängt ein Brief, in dem sich Alteingesessene über den gelben Hausanstrich der aus dem Westen Zugezogenen beschwerten: „Diese Farbe passt nicht zu Kleinmachnow.“
Jeder Raum ist anders: Der eine zeigt Fotos aus Familienalben, der andere vergleicht in einer Vitrine die Häuserpreise im Laufe der Jahrzehnte. Martina Dettke hat ein Zimmer über die Frauen in Kleinmachnow gestaltet. An den Wänden hängen Interviews mit Einwohnerinnen. Ein Sofa lädt zum Verweilen ein, wenige Schritte weiter über den unebenen, grellgelben Boden serviert die seit 2005 im Ort lebende Augenoptikerin, wenn geöffnet ist, Getränke an ihrer „Prosecco-Bar“. Ein Raum aber zeigt nur eine leere Vitrine und einen ungenutzten Bilderrahmen – „eine Leerstelle zum Nachdenken“. Isabel Fannrich-Lautenschläger
Geöffnet ist die Ausstellung samstags und sonntags 12 bis 18 Uhr, freitags 17 bis 19 Uhr
Isabel Fannrich-Lautenschläger
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