zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Ein Haus wie ein offenes Buch

Überraschungen im einstigen Schulgebäude am Beelitzer Kirchplatz

Stand:

Überraschungen im einstigen Schulgebäude am Beelitzer Kirchplatz Von Kirsten Graulich Beelitz – Die Treppenstufen knarren, fast so als würden sie wegen der vielen Besucher stöhnen, die auf und ab durch das alte Schulhaus steigen. Für Bernhard Wystyrk ist das Ächzen der Stufen ein vertrautes Geräusch, denn von 1954 bis 1968 wohnte er in dem alten Fachwerkhaus am Beelitzer Kirchplatz 5. Auch seine ehemaligen Nachbarn ließen sich die Chance nicht entgehen, ihre alte Heimstatt zu besichtigen, die nun nach einjähriger Sanierung am letzten Donnerstag der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Mit dieser Aktion will die Arbeitsgemeinschaft „Städte mit historischen Stadtkernen" auf schöne Bauwerke in Brandenburg verweisen, weshalb in der Vorweihnachtszeit täglich ein Denkmal als Adventstür geöffnet wurde. Das Fachwerkhaus am Kirchplatz 5 mit sieben Achsen und abgewalmtem Satteldach wurde 1821 errichtet. Zuvor stand auf dem Grundstück das erste Beelitzer Schulhaus: ein einstöckiger Bau aus Ziegeln, Lehm und Strohdach. Später wurden auch im neuen Schulhaus die Räume für die Knabenklassen zu eng und so zogen die Schüler nach 1906 in die Schule am Lustgarten. In das Gebäude am Kirchplatz 5 kam das kirchliche Diakonat, danach wurde das Haus lange Zeit auch zum Wohnen genutzt, ebenso fand der Seniorenklub hier einige Jahre ein Domizil. Für rund 350000 Euro Fördermittel wurde jetzt die Gebäudehülle der alten Schule saniert, und in der nun offenen Bausubstanz zwischen Balken und Gefache können Besucher wie in einem Buch lesen. Gut zu erkennen sind die Stellen, an denen alte faulige Balken durch neue Stücke ersetzt wurden. An einigen Holzbalken sind auch Spuren von Stahlbürsten erkennbar, mit denen der Schmutz zweier Jahrhunderte bearbeitet wurde. Eine schweißtreibende Handarbeit, die nur mit Mund- und Augenschutz ausgeführt werden kann. Auch die Gefache konnten nur mit Hammer und Meißel herausgebrochen werden, teilweise war zwischen den Balken noch Lehm aus dem Ursprungsjahr erhalten. Im Erdgeschoss sind Reste einer weiß getünchten Raufasertapete, Marke „Erfurt“, sichtbar, die sicherlich aus den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts stammen, als ein Teil der städtischen Verwaltung das Gebäude nutzte. Im obersten Stockwerk entdeckte Familie Schneider ihre einstige Tapete mit Rosenmuster, mit der sie vor etwa 20 Jahren den Aufgang tapeziert hatte. Am schwierigsten seien die Decken gewesen, weil die etwas durchhingen. Deshalb musste beim Tapezieren immer ein Bogen mehr einkalkuliert werden, erinnern sich die Eheleute, die hier von 1979 bis 1993 wohnten. Sie wissen noch, dass die Winter kalt und die Sommer oft unerträglich heiß waren, nur die Miete von 22 Mark sei erträglich gewesen für die 100 Quadratmeter Dachwohnung. Zwei Kinder zogen sie hier groß, doch das Dachgebälk sahen sie nun zum ersten Mal, weil es früher mit Spanplatten verkleidet und verputzt war. Dass der Giebel zur Kirchgasse nicht mehr sicher stand und irgendwann gekippt wäre, wurde deshalb erst bei der Sanierung deutlich. Auch zahlreiche Schwammfunde traten dabei zutage. Positiv überraschte dagegen der Fund eines Rundbogens im Erdgeschoss, wo sich früher drei Klassenräume der Knabenschule befanden. Die erste Etage diente seinerzeit als Wohnung des Schulrektors. In beiden Etagen ist jetzt Rohrgewebe sichtbar, das als Putzträger dient, ebenso sind Wände aus Lehmziegeln zu sehen. Ein Teil des Fachwerkes wurde vor rund 100 Jahren durch Ziegelsteinwände ersetzt. Das ist auch von außen deutlich erkennbar. Deshalb wurde mit der Denkmalschutzbehörde abgestimmt, diesen Teil der Baugeschichte zu erhalten und auch optisch zu dokumentieren mit teilweise verputzter Fassade. Den Innenausbau muss die Stadt nun allein stemmen. Bürgermeister Thomas Wardin hofft, dass die Stadtverordneten zustimmen, das Erdgeschoss im nächsten Jahr für 150 000 Euro auszubauen. Einziehen soll wieder die Verwaltung, auch in die Obergeschosse, deren Ausbau in den Folgejahren dran ist.

Kirsten Graulich

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })