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Potsdam-Mittelmark: „Ein kleines Wunder hätte ich schon gern gehabt“

Vom Industriellenspross zum Missionar: Hubert Liebherr berichtete in Michendorf über sein Leben

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Michendorf - Mit einem Augenzwinkern will Hubert Liebherr das Eis brechen. „Sie kennen meinen Namen vielleicht von ihrem Kühlschrank – einen Baukran werden ja die wenigsten zuhause haben.“ Es ist ihm etwas unangenehm, vor Leuten zu sprechen, das bleibt nicht verborgen. Und das will er auch nicht: Er sei froh, wenn alles vorbei ist, gibt er offen zu. Das schafft Sympathie, im Publikum lächelt man verständnisvoll. Der Mann rückt seine Brille zurecht, begibt sich hinter den Tisch, holt tief Luft und beginnt zu erzählen: Wie er zum Glauben zurückfand, wie er ein Millionenerbe ausschlug und wie er heute Menschen miteinander versöhnt.

Die katholische Gemeinde St. Cäcilia hatte im Rahmen ihrer Gesprächsreihe „Christliche Persönlichkeiten, christliches Leben“ den 57-jährigen Schwaben vor kurzem nach Michendorf eingeladen. Hubert Liebherr ist Spross der gleichnamigen Unternehmerfamilie, die nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Bau von Kühlschränken und Baumaschinen zu internationaler Bedeutung gelangte und mittlerweile 20 000 Mitarbeiter beschäftigt.

„Wir sind sehr gläubig erzogen worden“, erinnert er sich an seine Kindheit: keine Mahlzeit ohne Tischgebet, kein Sonntag ohne Gottesdienst. Doch ab dem Alter von zwölf Jahren habe er die Religion zunehmend hinterfragt. „Der Glaube wäre in der Clique ein Eingeständnis von Schwäche gewesen.“ Während des Abiturs in Heidelberg habe er sich auch von der Rebellion der 68er anstecken lassen, erinnert er sich. Es folgten zwei Jahr Bundeswehr, dann das Studium zum Bauingenieur in Karlsruhe.

Unmittelbar danach wurde er mit dem Aufbau einer Fabrik in Algerien betraut. „Wenn man in der Sahara nachts nach oben schaut, sieht man die Sterne viel heller und klarer als hier.“ Deshalb stellte er sich immer wieder die Frage nach dem Ursprung des Universums. Mit der Rückkehr nach Deutschland standen ihm im väterlichen Unternehmen alle Türen offen: Die Betriebszweige wurden unter den Geschwistern aufgeteilt, der Vater behielt die oberste Leitung.

Hubert Liebherr übernahm die Sektion Kran- und Flugzeugteilebau, „eine hochspannende Zeit in Anbetracht der technischen Entwicklungen“.

Doch dann hatte er 1981 einen Autounfall mit weit reichenden Konsequenzen: nicht gesundheitlich, sondern spirituell. „Der Unfall hätte eigentlich nicht passieren dürfen – der andere Fahrer hatte bereits am Stopp-Schild gehalten“, erinnert sich Liebherr. Trotzdem krachte es gewaltig – und beide blieben völlig unverletzt. Ein Jahr später kehrte er an den Unfallort zurück und entdeckte in der Nähe eine kleine Kapelle. Fortan zog es ihn immer wieder dort hin und eines Tages fasste er den Entschluss, seine erste Pilgerfahrt anzutreten. Mit Privatjet und Schulfreund Albrecht Graf Brandenstein-Zeppelin, Enkel des Luftschiffbauers, flog er 1987 nach Portugal.

In der kleinen Stadt Fatima soll die Mutter Gottes erstmals 1917 erschienen sein, ein Ereignis, das am 13. jedes Monats mit einer Prozession gefeiert wird. „Die Menschen winken mit Tüchern einer Holzstatue zu – das war beeindruckend, so wollte ich auch glauben können“, erinnert sich Hubert Liebherr begeistert.

Seine religiöse Heimat fand er dann jedoch ganz wo anders: Im herzegowinischen Medjugorje. „Der erste Besuch war eine einzige Enttäuschung – weil meine Erwartungen riesengroß waren.“ Da habe er sich als junger Unternehmer mal Zeit für Gott genommen, und nichts passiert. „Ein kleines Wunder hätte ich schon gern gehabt. Aber der Herrgott lässt sich von einem Privatflugzeug nicht beeindrucken.“

Wenn Hubert Liebherr über seine damaligen Erlebnisse berichtet, ist immer auch etwas Selbstironie dabei. Damit unterstreicht er die persönliche Bedeutung dessen, was danach kam: Plötzlich wurde ihm schlecht. „Ich konnte nicht mehr schlucken, der Brechreiz war überwältigend. So etwas war mir noch nie passiert!“ Ein deutscher Priester musste es mitbekommen haben: Er nahm ihm die Beichte ab, „ich habe Rotz und Wasser dabei geheult. Doch mit den Lossprechungsworten ging es mir gut“. Mehr noch: Er hatte das Gefühl, dass ihm verziehen wurde, „dass Gott mich liebt – egal wie ich mich früher verhalten habe“. Ein Markstein auf dem Weg zurück zum Glauben. Im gleichen Jahr flog Liebherr nochmal nach Medjugorje und beschloss auf dem Rückweg mit seinem Freund Albrecht, künftig Pilgerfahrten in das damalige Jugoslawien zu organisieren.

„Verlasse alles, was du bist und hast und folge mir“ – diesen Satz aus einem Weihegebet verinnerlichte er, die Antwort auf seine Frage, wie sein Leben weitergehen soll.

Zuvor hatte es eine Meinungsverschiedenheit mit seinem Vater gegeben: In der Heimatstadt wollte Hubert Liebherr in einem öffentlichen Vortrag über Medjugorje berichten. Sein Vater meinte, dass die nichtgläubigen Mitarbeiter im Betrieb ihn durch die offene Religiosität nicht mehr genügend respektieren würden. Zweifel und Diskussionen mit der Familie folgten, spirituelle Erlebnisse wie jenes in Medjugorje stellten sich immer wieder ein. Er gab schließlich seinen Teil der Firma zurück. „Meine Frau ging mit mir zum Psychiater“, unterstreicht er die Dramatik – um dann darüber zu schmunzeln: „Der Arzt war gläubiger Katholik und hat sie beruhigen können.“

Es ist geschafft: Hubert Liebherr lehnt sich zurück, schaut in erstaunte Gesichter. Einmal mehr hat seine Geschichte die Menschen erreicht. „Heute darf ich solche Zeugnisabende halten und ich darf Pilgerfahrten organisieren“, zieht er ein Resümee. Wesentlich entspannter berichtet er schließlich über sein Projekt „Kirchen für den Osten“. Seit 1994 kümmert sich diese Initiative ehrenamtlicher Helfer um den Bau von Kirchen in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. 30 wurden bereits errichtet zwischen der Ukraine und dem Baikalsee, 100 sollen es insgesamt werden.

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