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Von Imke Hendrich: „Ein lebendiger Ort“
Der Prominenten-Friedhof in Stahnsdorf wird 100
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Stahnsdorf -Ein unscheinbarer Grabhügel, Efeu umrankt, davor ein kleiner Stein mit einer „1“. Hier begann vor 100 Jahren die Geschichte des alten Prominenten-Friedhofs vor den Toren Berlins. Die Lehrerin Elisabeth Wenzlewski war am 8. April 1909 die erste, die auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf ihre letzte Ruhestätte fand. Die evangelische Kirche hatte wenige Jahre zuvor 160 Hektar Wald an der Stadtgrenze zu Berlin erworben. Wandelt man heute durch den Landschaftspark, trifft man unvermutet hinter einem Baum oder von Hecken umgeben auf pompöse Mausoleen oder auf schlichte Stelen. Sie erinnern an Persönlichkeiten wie Werner von Siemens, Engelbert Humperdinck oder Friedrich-Wilhelm Murnau.
Das Besondere an dem Areal, wo auf heute 206 Hektar 120 000 Menschen beerdigt sind, umreißt Friedhofsverwalter Olaf Ihlefeldt mit einem Satz: „Dies ist ein lebendiger Friedhof.“ Was er damit meint? „Die Gräber sind in den Wald integriert, der Tod drängt sich hier nicht auf.“ Hier leben seltene Fledermausarten, Rehe und die ungeliebten Wildschweine. Um weiteres Leben auf den Friedhof zu bringen, lässt sich der 41-Jährige seit Jahren manch Ungewöhnliches einfallen. Die Aktionen treffen in der Bevölkerung auf große Resonanz, unter Friedhofs-Kollegen dagegen auch auf Skepsis. So wird am Grab des Kompo nisten Humperdinck zu Gedenktagen seine Oper „Hänsel und Gretel“ auf geführt, beim Grab des Stummfilm- Regisseurs Murnau flimmerte schon mal „Nosferatu“ über eine Leinwand und seit einem Jahr gibt es ein bundesweit wohl einzig artiges „Friedhofstaxi“. „Vor allem Trauergäste nutzen das Shuttle-Angebot, sich mit dem lautlosen Elektrofahrzeug zur Kapelle fahren zu lassen.“ Denn die Wege auf dem Südwestkirchhof sind lang – vom Eingang bis zur norwegischen Stabholzkirche sind es immerhin 600 Meter.
Regelmäßig zeigen Ihlefeldt und seine Mitarbeiter den Besuchern, auch bei speziellen Kinderführungen, die Schätze des Friedhofs: Da ist etwa die letzte Theaterbühne von Gustav Kadelburg (1851-1925), dem Mitautor der Ur fassung der Operette „Im Weißen Rössl“. Zwischen den Bäumen steht auf einer steinernen Bühne die Fassade eines Hexenhauses, ein kleines schwarzes Gitterfenster, daneben die Tür, die hinab zur Gruft führt. Vorbei an mehreren Diana-Tempeln und Mausoleen geht es dann zu einer expressionistischen Grabanlage aus Beton von Max Taut für einen Kaufmann.
Einen kurzen Fußmarsch weiter stößt man auf das in einen Sandstein gemeißelte Porträt des wohl bekanntesten Toten des Areals: Heinrich Zille (1958-1929). „Zum Begräbnis des Milieu-Zeichners kamen 3000 Menschen, die Wege waren schwarz“, erzählt Ihlefeldt. Rund 80 namhafte Menschen liegen auf dem Südwestkirchhof begraben. „Wäre die deutsche Teilung nicht gekommen, wäre dies der Prominentenfriedhof schlechthin für Berlin geworden“. Doch da das Gelände in einen „Dornröschenschlaf“ fiel, sind Stars wie Marlene Dietrich in Berlin begraben.
Inzwischen werden wieder jährlich etwa 800 Menschen in Stahnsdorf beerdigt. „In jüngster Zeit hat dieser Friedhof neue Maßstäbe in der Entwicklung der Friedhofskultur gesetzt“, sagt der Präsident des Konsistoriums der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Ulrich Seelemann. So gebe es „Urnengräber unter Bäumen“.
Mit einem Festgottesdienst mit Bischof Wolfgang Huber begeht der Friedhof am 28. März sein 100-jähriges Bestehen. Auch eine Ausstellung zur Geschichte dieses besonderen Ortes wird gezeigt.
Weitere Infos im Internet unter
www.suedwestkirchhof.de
Imke Hendrich
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