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KulTOUR: Ein Maler des Nordens

Hans-Jürgen Brauer zeigt in Petzow ein kraftvolles und eigenwilliges Bild Italiens

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Von Gerold Paul

Werder (Havel) - Eulen nach Athen zu schleppen ist ungefähr so sinnlos, als wollte man ausgerechnet den heißesten Sommer Mitteleuropas nach Italien exportieren. Weil in diesen germanischen Gefilden aber ohne Planung nichts geht, änderte sich auch am jüngsten Vernissagetermin in Petzows Grelle-Kirche nichts: Der Teltower Maler Hans-Jürgen Brauer stellte seine Italienbilder termingerecht zur Schau, trotz der Hitze, und eben für besagtes „Bella Italia“.

Wenn man vom Brenner aus nach Süden fährt, erzählte er, ändere sich plötzlich alles, besonders das Licht. Dieses Licht des Südens habe er einfangen wollen, so wie er es sah, nicht wie irgendwelche neuromantische Schwärmer. Tatsächlich dürfte Brauers Bilderwelt den geschmacksverwöhnten Betrachter leicht irritieren. Es ist weniger die Sicht auf mehr oder weniger bekannten Motive wie das Kolosseum in Rom, Venedigs gondelnde Kulissenlandschaft, Florenz und Pisa, Gardasee oder Dolomiten, als die Art, wie der noch zu Kriegszeiten geborene Hüne sie wiedergibt. Den einen oder anderen Betrachter mag die scheinbare Flüchtigkeit seiner Ölpastelle genauso befremden wie jenes fast ins Ultramarin gehende Himmelsblau, welches mit dem lieblichen „azurro“ des Südens zu streiten scheint. Er wollte Süßlichkeit und den üblichen Postkartenblick vermeiden, warnte er im Voraus alle, die sich ihr eigenes Italien mit Zypressen, Oliven und Palmen mitbringen wollen. Statt ihren Idyllenblick zu bestätigen, setzt er sein eigenes, kraftvolles und ziemlich eigenwilliges Bild, man könnte schon meinen „dagegen“.

Sagte Gräfin von Dönhoff nicht, die Welt sei stets so, wie man sie sieht? In diesem Sinne müssten die Arbeiten von Hans-Jürgen Brauer eigentlich jeden erstaunen. Es handelt sich einmal um Öl und Ölpastelle, die sich vielleicht des raschen, auch farblichen, Eindrucks einer Landschaft, eines Motivs vergewissern wollen, andererseits um mit Filzstift gefertigte Panoramen von ganz eigener, deutlich grafischer Qualität. Auf der rechten Seite der Petzower Schinkelkirche sind Filz und Öl direkt übereinander gehängt, da treffen sich manchmal auch Skizze und Original zum ästhetisch-technisch Vergleich.

Hans-Jürgen Brauer liebt die Totale, den Blick über die bunten Dächer von Rom, auf das sonnenumflutete Florenz eines hundertfarbigen Himmels, die Straßenszene von Perugia unterm Ultramarinen scheint ins Unendliche zu führen, das längst in Schieflage gekommene Schaubild von Pisa oder der violette Firn eines Gletschers. In der Toscana hat die Abendsonne eine gleißende Schneise aus Licht geschlagen, erst rechts und links davon wird wieder Landschaft sichtbar. Mal höht er seine Strukturen mit Weiß oder Ocker, mal arbeitet er im Negativkontrast, es lohnt sich, bei ihm auf Licht und auf Schatten zu achten. Die Bilder auf der Außenleiste der Empore sind leicht zu übersehen, Pompej und anderes.

Hans-Jürgen Brauer ist nicht einer jener Konvertiten, die über dem vermeintlichen Zauber Italiens das Licht der Heimat vergessen. Seine Bilder zeigen ihn als einen deutschen Maler, der Italien suchte und sieht. Er will nicht die Eleganz, die Nachahmung, keine Vollendung „auf italienisch“. Möglicherweise hängt mit dieser Haltung auch das Nebeneinander von Fertigem und erst Probiertem zusammen. Endlich mal einer, der selber denkt, der nicht nur „nachäfft“. Soll Athen doch seine Eule behalten, hier hat man Anderes!

Gerold Paul

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