Potsdam-Mittelmark: Ein Pfund Butter für jedes Training
Als es im Fußball noch nicht um Millionen ging: Vor 100 Jahren wurde der Teltower FV gegründet
Stand:
Teltow - Als der Schiedsrichter plötzlich Kamm und Schere aus seinen Stutzen zog, staunte Harri Komor nicht schlecht. Es war im Jahr 1943 in Teltow. Die Hitler-Eiche an der heutigen Jahnstraße war gerade angewachsen und der junge Komor fieberte auf dem Bolzplatz einem seiner ersten Spiele für den Teltower Fußballverein entgegen. „So wollen Sie hier antreten?“, habe der Schiri gefragt. Mit diesen Haaren? Das kam nicht infrage. Schnipp, schnapp. Kurzerhand fielen die Locken zu Boden.
„Direkt über den Augen hat er geschnitten“, sagt Komor und lässt Zeige- und Mittelfinger auf- und zuklappen. Vor dem Spiel war vor dem Haarschnitt, sagt der 84-Jährige. Heute kann der mittlerweile Grauhaarige darüber lachen. „Damals war das leider so.“ Damals vor 70 Jahren, als die blondierte Föhnfrisur des Nachwuchsfußballers Marco Reus von heute, die Locken des früheren Nationalspielers Rudi Völler oder die Haarpracht eines Paul Breitners auf dem Rasen noch undenkbar waren und in Teltow noch nicht einmal Rasen auf dem Fußballplatz des jungen Vereins wuchs.
Vor 100 Jahren wurde der Teltower Fußballverein TFV 1913 gegründet. Mit einem Sportlerball im Rathaus und zahlreichen Spielen und Veranstaltungen rund um das Vereinsgelände in der Jahnstraße wollen die Mitglieder das Jubiläum an diesem Wochenende feiern – auch Harri Komor wird als Ehrenvorsitzender mit dabei sein.
Trotz einiger verlockender Angebote ist der Teltower seinem Verein immer treu geblieben. Damals ging es noch nicht um Millionen, sagt Komor. Ein Freund hatte den Teltower Straßenfußballer zum Verein gebracht. Auf einem geschotterten Handballplatz habe man gespielt, gleich neben dem heutigen Jahnsportplatz. Schon vor Komors Geburt wurde der Teltower FV unter der Bezeichnung SC Teltow gegründet. Mit Ende des Zweiten Weltkrieges wurde er umbenannt in SG Teltow. Gerade in dieser Zeit waren Spieler knapp, viele Jungs waren nicht mehr aus dem Krieg zurückgekehrt, erzählt Komor. Da fiel der flinke Rechtsaußen aus Teltow auch anderen Trainern auf.
„Spielst du außen, bist du bald draußen“, witzelt Harri Komor heute über die oft ruppigen Fouls an der Seitenlinie. Ihm hat das nichts angetan. Ein Berliner Trainer bot ihm nach einem besonders harten Spiel sogar an zu wechseln: „Die Fahrtkosten werden erstattet und es gibt ein Pfund Butter nach jedem Training“, erinnert sich Komor an die Offerte. Er nahm nie an. Zu sehr hing sein Herz am Teltower Fußball.
„Wir hatten viele Zuschauer.“ Etwa 500 bis 600 Menschen hätten sich bei wichtigen Spielen am Rasen versammelt. „Da hat man keinen Platz bekommen.“ Beim Spaziergang durch die Stadt hätten ihn viele Menschen angesprochen. „Hallo Harri“, hieß es an fast jeder Ecke. Bis 1963 stand Komor auf dem Platz, inzwischen hieß der Klub bereits Motor Teltow und fungierte als Betriebssportgemeinschaft des nahen Geräte- und Reglerwerks. Schon ein Jahr später übernahm er selbst die Führung des Vereins. Bis 1984 blieb er Vorsitzender und führte den Klub bis in die dritthöchste Liga der DDR. Größter Erfolg des Vereins war der Gewinn des Potsdamer Bezirkspokals im Jahr 1981.
Heute haben Hans-Jürgen Watteroth und seine Frau Angelika die Führung des inzwischen 600 Mitglieder zählenden Vereins übernommen. Sie führten den TFV durch eine finanzielle Krise, an deren Ende der Abstieg in die Landesklasse stand. Inzwischen setzt man in Teltow auf die eigene Jugend und ist Zweiter in der Landesklasse. Zum Vereinsjubiläum wird in Teltow das Saisonfinale ausgetragen: Babelsberg 74 gegen den TFV. Erster gegen Zweiter, doch aufsteigen können die Teltower nicht mehr.
Trotzdem sollen sie gewinnen, sagt Harri Komor. Auch er will am heutigen Samstag, dem 15. Juni, um 15 Uhr am Platz stehen und jubeln. „Fußball im Fernsehen, das ist nichts für mich“, sagt Harri Komor. Aber in Teltow, da verpasse er so gut wie kein Spiel. Tobias Reichelt
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: