Potsdam-Mittelmark: Ein Platzhirsch hat es nicht leicht
Vor dem Winter gerät die Natur in Wallung. Im Glauer Tal kann man die Hirschbrunft erleben
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Glau – Das laute Röhren ist aus weiter Entfernung zu hören. Ein einziger Ruf, danach ist Ruhe. Es muss ein kapitaler Rothirsch sein, der hier sein Revier behauptet. Unterdessen sieht man eine Gruppe Mufflons unweit des Weges stehen. Auch der Widder signalisiert seine Paarungsbereitschaft – allerdings subtiler: Weiße Sattelflecken am Rumpf sollen die Weibchen beeindrucken helfen. Auch er hat sich seinen Platz gegen Konkurrenten hart erkämpft, will jetzt seine Belohnung fordern. Und während das Wild für Nachwuchs sorgt, ziehen am herbstkalten Himmel Scharen von Wildgänsen vorüber. Sie werden den Winter im Süden verbringen und nehmen für dieses Jahr Abschied.
In der Nuthe-Nieplitz-Region zwischen Beelitz und Luckenwalde ist dieser Tage die Natur in Bewegung. Das Laub der Bäume hat sich bunt gefärbt, und bei einem morgendlichen Rundgang durch das Wildgehege Glauer Tal knirscht schon der Frost unter Sohlen. Katja Draeger zückt den Fotoapparat, als ein Rudel Rothirsche vorübertrabt. Die drei Weibchen werden von zwei männlichen Tieren flankiert. Der ältere läuft dicht neben den Kühen, während der jüngere auf Abstand bleibt. „Er wartet auf eine Gelegenheit“, flüstert sie.
Draeger leitet das Naturparkzentrum am Wildgehege, und selbst sie kann hier immer wieder etwas Neues entdecken. So habe sie schon erlebt, dass ein einziger Hirsch sämtliche Kühe auf dem 160 Hektar großen Gelände begattet hatte. Die Position des Platzhirsches ist eine dankbare – aber sie macht einsam. Denn wenn die anderen gar nicht zum Zuge kommen, fangen sie an zusammenzuarbeiten. Die einen lenken ihn vom weiblichen Rudel ab, damit die anderen zuschlagen können.
Es ist ein beeindruckendes Schauspiel, dass sich im Herbst im Wildgehege dem Beobachter bietet. Wo vor nicht einmal zwanzig Jahren noch sowjetische Truppen den Ernstfall trainierten, kann man heute hautnah den Lauf der Natur erleben. „Auf diesem Gelände hatten Pioniere geübt“, berichtet Katja Draeger, „die haben selten geschossen.“ Deshalb sei der Standort kaum munitionsbelastet – ein Vorteil gegenüber anderen früheren Truppenübungsplätzen, wie zum Beispiel in Jüterbog. Seit 2007 gibt es das Wildgehege, 15 000 Besucher kommen jährlich her, um die rund 200 Wildtiere zwischen Panzerbrücken, Kiefernwäldchen und offenen Heideflächen zu beobachten.
Ein weiteres Erbe der militärischen Nutzung ist der Kommandoturm auf dem „Feldherrenhügel“. Von dem mehrgeschossigen Gebäude mit Aussichtsplattform aus hatten früher Offiziere die Manöver dirigiert. Heute liegt es brach. Wie Draeger berichtet, soll es demnächst entkernt und danach saniert werden. Denn von hier aus bietet sich ein weiter Blick über die Naturlandschaft. Den braucht es auch, denn obwohl die Tiere durchaus an Besucher gewöhnt sind, lassen sie Menschen kaum weniger als hundert Meter an sich herankommen. „Deshalb sollte man auch auf den Wegen bleiben, um das Wild nicht für einen ganzen Tag zu verschrecken“, so Draeger.
So ist es auch mit einem Damhirsch, der sich seine „Brunftkuhle“ neben einem Birkenhain gegraben hat. Er beschränkt er sich nicht auf sein hundegebellartiges Röhren und das Verteilen von Urin im Revier. Nein, er suhlt sich ausgiebig darin und lässt so die Herzen der Kühe höher schlagen. Im Gegensatz zu seinem größeren Verwandten muss er den Rudeln nicht nachlaufen, sondern kann getrost unter den Bäumen auf Interessentinnen warten. Die haben sich auch schon eingefunden, graben aber erst einmal unschlüssig ihr Maul ins Gras, um sich zu stärken.
„Konservierender Naturschutz“ nennt Draeger den Ansatz, den der Landschafts-Förderverein Nuthe-Nieplitz als Betreiber des Wildgeheges hier verfolgt. Das heißt: Man überlässt die Natur nicht gänzlich sich selbst. Nimmt die Population der Tiere überhand, wird gejagt, und auch die Landschaft will man in der jetzigen Form erhalten. Das übernehmen größtenteils die Mufflons, die durch ihr Äsen die Gehölze klein halten. „Ohne sie wäre hier bald alles voller Kiefern“, erklärt Katja Draeger. Die Wildschafe sind erst seit dem frühen 20. Jahrhundert wieder in Deutschland ausgewildert worden, nachdem sie während der letzten Eiszeit in den Mittelmeerraum abgewandert waren.
Auf Kälte müssen sie sich auch in den kommenden Monaten einstellen, wenn der Winter wieder über den Naturpark hereinbricht. So wie das Rot- und Damwild auch. Immerhin bleiben ihnen die Erinnerungen an einen „heißen“ Herbst – und die Aussicht auf reichlich Nachwuchs im kommenden Jahr.
Das Wildgehege Glauer Tal in Blankensee hat täglich 10 bis 17 Uhr geöffnet. Eintritt 2, ermäßigt 1,50 Euro. Am Sonntag, 23. Oktober, wird zu einer Vogelwanderung im Naturpark eingeladen, Treffpunkt ist 15.30 Uhr an der Nieplitzbrücke bei Zauchwitz.
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