
© Thomas Lähns
Von Thomas Lähns: Ein Stück aus dem Tollhaus
„Pension Schöller“ wird in Michendorf geprobt – die Hoffnungen auf ein eigenes Theater im Ort hat man aber begraben
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Michendorf - Herr Robitzki ist von einem besonderen Gedanken beseelt: „Ich möchte ein Kulturhaus für nervöse Menschen bauen.“ Sein Neffe Alfred fragt erstaunt: „Ein Theater in Michendorf?“ Es war wohl ein Versprecher, denn sogleich korrigiert sich der Gutsbesitzer aus Langerwisch: „Quatsch, was soll denn Michendorf mit einem Theater? Ich meinte ein Kurhaus für nervöse Menschen - ein Sanatorium.“ Denn das Einzige, was heutzutage noch Zukunft hat, findet Herr Robitzki, sind kaputte Nerven.
Seine Kritik an der Gemeinde hat Regisseur Siegfried Patzer geschickt verpackt: in dem bekannten Schwank „Pension Schöller“, der am 6. Juni im Gemeindezentrum Zum Apfelbaum Premiere feiern soll. Es werde wohl das letzte Stück sein, das die Kleine Bühne Wilhelmshorst in Michendorf aufführt, schätzt er. Denn die Suche nach einem Grundstück für ein eigenes Theater im Ort habe er aufgegeben, berichtet er am Donnerstagabend bei einer Probe, und fügt bitter hinzu: „Meine Ambitionen sind erschöpft.“
Anderthalb Jahre lang hatte der frühere Leiter des Berliner „Theater am Kreuzberg“ und Wahl-Wilhelmshorster mit der Gemeinde verhandelt – vergeblich. Zwar wurden ihm zahlreiche Standorte angeboten, doch allesamt waren sie in seinen Augen ungeeignet: Gebäude wie der sanierungsbedürftige Bahnhof in Wilhelmshorst, den der Ortsbeirat eigentlich selbst kaufen wollte, oder die marode Sporthalle am Michendorfer Wolkenberg-Gymnasium, die nun doch abgerissen worden ist. Bis vor Kurzem war noch ein Grundstück in der Potsdamer Straße in der Nähe des Michendorfer Bahnhofs im Gespräch, doch liegt das im Außenbereich. Ein Neubau an dieser Stelle wäre kaum genehmigungsfähig. „Von der Verwaltung ist es gar nicht mehr erwähnt worden“, so Patzer. Den letzten Anlauf hatte er für eine Fläche neben dem Michendorfer Gemeindezentrum genommen: Der private Eigentümer würde das Grundstück verkaufen, allerdings sei es nur 17 Meter breit. Patzer habe angefragt, ob er einen Streifen Gemeindeland hinzukaufen könnte, „aber man braucht es für einen Parkplatz“.
Patzer ist kritisch bei der Wahl eines Theaterstandortes, denn immerhin würde er 250 000 Euro in einen Neubau investieren – aus eigener Tasche. Das Theater muss sich selbst tragen und solle deshalb an zentraler Stelle stehen, begründet er. Neuere Angebote aus Wilhelmshorst hatte der Mäzen deshalb auch ausgeschlagen. Mittlerweile habe er sich in Beelitz umgeschaut, auch Caputh käme für ihn in Frage, weiter wolle er nicht weg.
Seit ihrer Gründung im Jahre 2007 tritt die Kleine Bühne im „Apfelbaum“ auf, doch ist das mit Widrigkeiten verbunden: Nach jeder Probe oder Vorstellung muss das Bühnenbild abgebaut werden, Lagerräume gibt es hier auch nicht. Im Hinblick auf die Inszenierung der „Pension Schöller“ kamen weitere Rückschläge hinzu: „Wir wollten über dem Eingang ein großes Banner aufhängen: ,Dritte Michendorfer Theatertage’. Aber wir durften nicht“, so Patzer kopfschüttelnd. Und erst vor zwei Wochen habe er Bescheid bekommen, dass am 7. Juni die Europawahlen im Gemeindesaal abgehalten werden und die für jenen Sonntag geplante Aufführung ausfallen muss. Der Regisseur kann es nicht fassen: „Wir hatten den Termin schon vor Monaten angekündigt, haben Flyer und Plakate gedruckt.“ Er habe den Eindruck, dass seine Arbeit niemanden interessiert: Obwohl er alle Gemeindevertreter und Ortsbeiräte zu den Theatertagen eingeladen habe, hätten nur sechs geantwortet.
Dabei ist die „Pension Schöller“ ein Klassiker, der auch 130 Jahre nach seiner Uraufführung noch für herzliche Lacher sorgt. Im Mittelpunkt der von Patzer überarbeiteten Version steht der wohlhabende Gutsherr und Junggeselle Ladislaus Robitzki, der seine Rente mit dem Betrieb einer Nervenheilanstalt absichern will. Sein Neffe soll ihn in die „Welt der Verrückten“ einführen, dafür verspricht er ihm finanzielle Unterstützung. In Ermangelung eines echten Irrenhauses führt der seinen Onkel in die Pension Schöller, denn die Gäste in diesem Etablissement sind alle sehr spleenig. Tatsächlich gelingt der Schwindel – und die schrägen Typen machen Robitzky bald Angst.
Die Schauspieler sind allesamt „semiprofessionell“: Sie haben zum Teil langjährige Bühnenerfahrung, arbeiten aber ehrenamtlich. Ihre Rollen spielen sie voller Hingabe: Marlies Hanowski als schrullige Schriftstellerin Sophie Malzpichler ist köstlich, auch Mario Schüning hat sichtlich Spaß an der Rolle des Robitzki und berlinert sich wonnevoll durch die Auftritte. Kulturbundchef Klaus-Dieter Becker wiederum bietet als Major Gröber ein Paradebeispiel des monokelbewehrten Stockpreußen im wilhelminischen Zeitalter. Den wohl schwierigsten Part aber hat Thomas Drechsel als Schöllers Mündel Leo, denn der hat einen Sprachfehler: Er kann den Buchstaben „L“ nicht aussprechen – möchte aber unbedingt zum Theater. „Ans ob sich eine sonche Schwierigkeit nicht überwinden nieße“ – es ist zum Brüllen komisch.
Auch Siegfried Patzer, der die Rolle des Schöller übernommen hat, muss lächeln. Doch die Ernüchterung setzt bald wieder ein: „Wir wollen mit dieser Inszenierung zeigen, dass ein Theater eine Bereicherung für Michendorf ist, aber man kann den Menschen die Kultur nicht aufzwingen“, sagt er. Zumindest die Bürger freuen sich auf die Aufführung: Die Premiere ist bereits ausverkauft.
Premiere am Samstag, 6. Juni, um 19.30 Uhr, weitere Vorstellungen zur gleichen Zeit am Mittwoch, 10. Juni, sowie am 12. und 13. Juni und am 14. Juni um 17 Uhr. Die Karten kosten acht, ermäßigt sechs Euro, Vorbestellung unter Tel. (033205) 45000.
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