
© Andreas Klaer
Potsdam-Mittelmark: Eine besondere Nacht auf dem Friedhof
140 Künstler verwandeln im August den Stahnsdorfer Südwestkirchhof in eine große Kulturbühne
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Stahnsdorf - Der Gassenhauer „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ passt nicht unbedingt zur Ruhe auf einem Friedhof. Und doch gibt es eine Ausnahme an einem ganz besonderen Ort. Der Südwestkirchhof Stahnsdorf ist so weitläufig, dass er sich auch in eine große Bühne für Theater, Musik, Lesungen, Akrobatik, Filme und Geschichten verwandeln lässt. Elf Jahre nach der viel diskutierten Premiere einer Kulturnacht auf dem größten deutschen Waldfriedhof laufen nun die Vorbereitungen für eine Zweitauflage eines solchen Ereignisses.
Am 23. August, einem Samstag, treten zwischen 18 und 24 Uhr 140 Künstler auf beleuchteten Wegen und vor illuminierten Denkmälern auf. Alle verzichten auf eine Gage, sodass sämtliche Einnahmen zur Reparatur der von Kupferdieben heimgesuchten Monumente auf dem Friedhof verwendet werden.
„Es gibt natürlich keinen Tanz und kein Spiel auf den Gräbern“, versichert Friedhofsleiter Olaf Ihlefeldt. „Wir haben bei uns aber so viel Platz dazwischen, dass wir Wiesen, Wege und Plätze vor den Grabdenkmälern mit gutem Gewissen bespielen können.“ Die evangelische Kirche unterstütze das Vorhaben des ehrenamtlichen Fördervereins ausdrücklich.
Alle Programme nehmen Bezug auf Personen, die auf dem vor über 100 Jahren von 21 Berliner evangelischen Gemeinden angelegten Friedhof ihre letzte Ruhestätte fanden. Die von Hans Albers berühmt gemachte Hymne über die Reeperbahn stammt beispielsweise vom Schauspieler Ralph Arthur Roberts, der 1940 an einer Austernvergiftung starb und ein Grab in Stahnsdorf erhalten hatte. Das Wintergarten-Varieté von der Potsdamer Straße macht sich deshalb nach dem Programm im Stammhaus auf den Weg in den südwestlichen Vorort, um hier neben Roberts auch den langjährigen Direktor Ludwig Schuch zu ehren.
Dank des Schauspielers Albrecht Hoffmann lebt auch Heinrich Zille wieder auf, dem hier ein Berliner Ehrengrab gewidmet ist. „Immerhin 2 000 Menschen erwiesen dem Pinselheinrich bei der Beerdigung damals ihre letzte Ehre“, erzählt der Köpenicker Darsteller und Theatermann, der zur Musik aus einem alten Grammofon auch singt. Die meisten Trauergäste fuhren 1929 ganz bequem mit der S-Bahn von Wannsee zum Friedhof. Seit dem Mauerbau liegt die Strecke brach. Nur noch wenige Reste erinnern an diese Verbindung, deren Wiederaufbau nach der Wende am fehlenden Geld scheiterte.
Deshalb ist die Anreise mit dem Bus heute etwas umständlich, zumal die Haltestelle rund 500 Meter vom Haupteingang entfernt liegt. Dennoch rechnet der Förderverein mit bis zu 4 000 Besuchern der Kulturnacht, die auch mit dem Fahrrad von den S-Bahnhöfen Teltow und Potsdam-Babelsberg den Friedhof erreichen. Die Räder müssen zur Veranstaltung allerdings ausnahmsweise draußen bleiben, um im schwachen Licht niemanden zu gefährden.
Zu Fuß oder auf einer Decke im Gras lassen sich ohnehin die einzelnen Programme an 25 Spielstätten viel besser erleben. Da erklingen Texte aus Fontanes Roman „Effi Briest“, deren Vorbild Elisabeth Baronin von Ardenne ebenfalls auf dem Friedhof begraben liegt.
Die Kreismusikschule „Engelbert Humperdinck“ bringt Stücke aus „Hänsel und Gretel“ und ein Märchenerzähler entführt die Besucher nach China, wo das Sprachgenie Emil Krebs viele Jahre lang lebte und wirkte. „Er kannte 120 Sprachen und beherrschte davon 68 fließend“, erzählt Friedhofsleiter Ihlefeldt. „Um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, wurde dem 1930 verstorbenen Mann sogar das Gehirn zur Untersuchung entnommen.“ Das Rätsel sei aber nicht gelöst worden.
Etwas gruselig könnte es in der Nähe des Grabes von Friedrich-Wilhelm Murnau zugehen, wird doch hier der Stummfilm „Nosferatu“ in voller Länge gezeigt. Die Begleitung auf dem Klavier übernimmt Graf von Bothmer. Wer es etwas besinnlicher will, besucht ein Orgelkonzert in der norwegischen Holzkirche.
An eine regelmäßige Kulturnacht auf dem Südwestkirchhof denkt der Förderverein nicht. So ein deutschlandweit einmaliges Ereignis müsse etwas Besonderes sein und bleiben, meint Olaf Ihelfeldt. „Vielleicht denken wir in zehn Jahren wieder über eine Neuauflage nach“, sagt er lächelnd. Claus-Dieter Steyer
Die Karten kosten an der Abendkasse und im Vorverkauf im Info-Haus am Haupteingang in der Bahnhofstraße 15 Euro. Auch Theaterkassen bieten Tickets an. Online sind diese auf www.suedwestkirchhof.de für 17,50 Euro zu bestellen.
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