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KulTOUR: Eine unglaubliche Summe

BHs in Übergröße und Katzenblicke aus dem Feuer – die neue Werkschau in Kähnsdorfs Kulturscheune

Stand:

Seddiner See - Hinter dem Haus in Richtung See ist große Wäsche aufgehängt. Riesige Buxen und Mieder an gewaltigen Klammern trocknet der Wind. Sogar ein BH mit Extrem-Übergröße ist dabei. Große Wäsche für kleine Kinder wird das nicht sein, eher umgekehrt.

So hat die Projektgruppe „Kunst am See“ unter der Leitung von Monika Olias ihr neuestes Opus dann ja auch genannt! Übergröße würde man der neuen Personalausstellung mit dem seltsamen Titel „Katzenblicke aus dem Feuer und verlorene Stöcke“ im Innern des ländlichen Kulturhäuschens nicht unbedingt bescheinigen, wozu auch.

Sybille Riley-Köhn ist in ihrer Vita und natürlich behufs ihres Curriculum interessant und meist auch überzeugend genug, wahre Größe liegt ja bekanntlich sowieso innen! Die gebürtige Berlinerin des Jahrgangs 1952 hat eine Kölner Kindheit, dann wieder eine Berufsausbildung an der FU Berlin, Anglistik und Geografie. Mit den Künstlernamen BillaRyk versehen, bezeichnet sie sich als Autodidaktin, die ihr in Jugendzeiten versandetes Talent erst mit späterer Reife wiederfand. Sie scheint in allen Techniken zu Hause zu sein, egal ob Ölmalerei, Collage oder Radierung, Origami oder Keramik. Trotzdem bevorzugt sie die heilige Melange von Kunst und Handwerk.

Genau dies bezeugt auch die kleine, fast schon intime Werkschau in Kähnsdorfs Kulturscheune. Der Ausstellungstitel klingt zwar etwas umständlich, ist dafür aber trefflich genau. Mit den „verlorenen Stöcken“ ist nicht etwa irgendwelches Bruchholz gemeint, sondern Druckstöcke aus dem Präteritum. Sybille Riley-Köhn hat Motive wie Kranich, eine Strandszene am Darß oder „Wurzeln und Flügel“ in verschiedenen Abzügen unterschiedlich bearbeitet und als Serie gehängt, was diesen Lithografien in Kontrast und Aussage eindrucksvoll Wirkung abringt. Ähnlich geht sie bei „Dachsbau“ vor, nur dass hier ein Hang zur Abstraktion unübersehbar ist.

Mit Collagen wie „Zees-boote“ und „Greenland“ erprobt sie Möglichkeiten der Ton-in-Ton-Technik, egal ob an Bodden, Fjord oder Arktis. Die Lithografie „Multikultis. Breslau. Berlin“ ist nicht nur technisch eindrucksvoll, zeigt sie doch ein Chamäleon en face bei der Arbeit. Stillleben in Öl, aquarellierte Kohlezeichnungen, Holzschnitte – so viele Themen, so viele Variationen!

Zwischen den „verlorenen Stöcken“ sind ihre Meisterwerke geordnet, emaillierte Wandkacheln verschiedener Formate mit Katzen als Thema. Diese können mal abstrahiert, mal der Natur nachempfunden sein, hübsch und originell sind alle. So grinst ein Grinsekater den Zuschauer an, eine Katze betreut ihre Kinder, zwei Schnurrer in Liebe.

Hübsch ist der Künstlerin Hang, jeder Emaillearbeit (auf Metall) einen Sinnspruch beizugeben, etwa „Ob eine schwarze Katze Unglück bringt, hängt davon ab, ob man ein Mensch oder eine Maus ist“ von Max O´Rell, oder Rilkes Sentenz „Das Leben, und dazu eine Katze, das ergibt eine unglaubliche Summe, ich schwör’s Euch!“ Dazu zählt nota bene auch jener Maximilian, den BillaRyk per Holzschnitt und als Kaltnadelradierung gleich mehrfach verewigt hat. Erstklassig auch die schönen Emaille-Teller, Zierde ihrer selbst. Eine gesichtige Werkschau also, mehr oder weniger vollkommen, dafür aber sehr intensiv, sehr persönlich, und voller Liebe. Macht das, zusammen mit den Übergrößen draußen, nicht tatsächlich – eine „unglaubliche Summe“? Gerold Paul

Bis zum 22. September jeweils Mi., Do., Sa. und So. von 11 bis 16 Uhr

Gerold Paul

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