
© Thomas Lähns
Potsdam-Mittelmark: Einen Erwachsenen-Schritt Abstand
Havelbusschule für Erstklässler auf Tour / 4200 Kinder im Landkreis haben ein Schülerticket
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Michendorf – Mäxchen hat nur für einen kurzen Moment nicht aufgepasst: Mit dem Rücken zur Fahrbahn hatte er an der Haltestelle gestanden und nicht gemerkt, dass der Bus hinter ihm losfuhr. Das ausschlagende Heck des Fahrzeugs hat ihn beim Losfahren gestreift und umgehauen, nun liegt er mit der Nase im Gras. Der Junge ist zwar nur eine Puppe, aber der nachgestellte Unfall verfehlt seine Wirkung nicht: Als Wolfgang Heinzel von der Havelbusgesellschaft (HVG) fragt, was Mäxchen falsch gemacht hat, schallt es ihm aus 17 Kinderkehlen laut entgegen: „Man muss einen Erwachsenen-Schritt Abstand halten.“
Vor gut einer Woche hat das neue Schuljahr begonnen. In Potsdam-Mittelmark pendeln seitdem wieder knapp 1700 Erstklässler zwischen Schule und Zuhause, viele von ihnen mit dem Bus. Insgesamt haben fast 4200 mittelmärkische Kinder ein Schülerticket. Seit 17 Jahren findet für sie zum Schuljahresanfang die Havelbusschule der HVG statt: Eine Unterrichtsstunde, in der es um das richtige Verhalten an der Haltestelle und im Bus geht. „Bis Mitte November sind wir an 27 Grundschulen in Potsdam-Mittelmark und 30 weiteren im Landkreis Havelland unterwegs“, so HVG-Sprecherin Ulrike Rehberg. Das rollende Klassenzimmer machte gestern in Wildenbruch Station. Die Klasse 1b der hiesigen Grundschule durfte erst einen Lehrfilm darüber schauen, wie man dem Fahrer und anderen Passagieren das Leben leichter macht und selbst am sichersten reist, danach ging es auf große Fahrt, um den Lehrstoff zu vertiefen.
An der Haltestelle vor der Schule warten Wolfgang Heinzel und Busfahrer Bernhard Danneberg. Die beiden Männer geben eine kurze Einweisung in das riesige technische Wunderwerk, das manche Kinder bislang nur aus der Ferne kennen. Sie zeigen, dass schon ein Rad des Fahrzeugs so groß wie ein Schulkind ist, in dem sie die kleine Ricky daneben stellen. Man sollte also vorsichtig sein, wenn der Bus heranrollt, so die Moral. Ansonsten ist der Mercedes Citaro sicher, wie Heinzel den Kindern demonstriert: Er stellt sich zwischen die Türen, während der Fahrer sie automatisch schließen lässt. Statt den Mann zu zerquetschen, bleiben sie offen, weil sie mit Sensoren ausgerüstet sind. Der kleine Ben ist mutig, will es selbst probieren, und auch er übersteht den Test unter bangen Blicken der Mitschüler unversehrt.
Auch in anderer Hinsicht scheint der Schulungs-Bus etwas Besonderes zu sein: „Er spring erst an, wenn ihr etwas gesungen habt“, lädt Reiseleiter Heinzel seine kleinen Passagiere ein. Tatsächlich: Nach einem Lied startet grollend der Motor und das Gefährt setzt sich in Bewegung. Unterwegs lernen die Kinder allerhand über die Bedeutung der verschiedenen Schilder: Wo sind die Behinderten-Sitze, wo kann man die Fahrkarte lochen, und vor allem: Wo kann man sich festhalten? Nach einem Zwischenstopp in Michendorf steht ein Bremsmanöver auf dem Programm. „Festhalten“, ruft Busfahrer Danneberg durch’s Mikrophon, bevor er auf die Bremse steigt. Wie kleine Äffchen hängen die Erstklässler an den Stangen und juchzen vergnügt.
„Es sind vor allem die Kleinsten, die sich auch auf dem Schulweg an die Busschule erinnern und sich an die Regeln halten“, sagt Ulrike Rehberg. Das Konzept ist längst aufgegangen, auch in Anbetracht der Unfallbilanzen. Laut einer Studie des Landkreises Potsdam-Mittelmark ereignet sich nur ein Prozent aller Schulwegunfälle in den öffentlichen Verkehrsmitteln.
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