Potsdam-Mittelmark: Einer der seltensten Weine der Welt
In Teltow baut Joachim Kettner Wein an. Sein edler Tropfen ist nach dem Zehnrutengraben benannt
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In Teltow baut Joachim Kettner Wein an. Sein edler Tropfen ist nach dem Zehnrutengraben benannt Von Kirsten Graulich Teltow – Federweißer ist der Geschmack des Herbstes und man sollte ihn möglichst direkt beim Winzer probieren. Zum Beispiel in Teltow, auch wenn es unwahrscheinlich klingen mag, dass es ausgerechnet in dieser märkischen Sandscholle Wein gibt. Frank Kettner hat eine alte Tradition wiederbelebt und baut hier seit einigen Jahren im kleinen Stil Wein an. Seitdem ist die Ernte stetig ein bisschen gewachsen. Vor sechs Jahren entdeckte Joachim Kettner im Heimatmuseum ein altes Innungswappen mit Weinlaub und Früchten. In einem Archiv fand er zudem Listen, aus denen hervorging, dass die Teltower Napoleons Armee mit Wein versorgen mussten. Das stimmte ihn zuversichtlich, es einmal mit Rebstöcken zu probieren. Auf dem Gelände des Evangelischen Diakonissenhauses Berlin-Teltow-Lehnin, wo Kettner die Werkstatt für Behinderte leitet, war noch Platz zwischen alten Obstbäumen und Wiesen. Zuvor hatte er sich kundig gemacht, wie vor 800 Jahren in Brandenburg Weinbau betrieben wurde. Den brachten einst Zisterziensermönche aus Burgund in die Mark, viele Klöster wurden zu wichtigen Weinbaubetrieben. Denn die pommerschen Christen sollten keinen Mangel an Messwein leiden, so wollte es seinerzeit Fürst Albrecht der Bär. Die Missionarsarbeit war erfolgreich, den Wein liebten nicht nur die Mönche, sondern auch ihre Gäste, denn Klöster waren im Mittelalter auch Herbergen. Berühmt war vor allem das Kloster Lehnin, das ein Fremdenhaus errichten ließ, weil die Gastzelle des Klosters nicht mehr ausreichte. Aber nicht nur für Gäste wurde Wein gebraucht, auch Kranke erhielten ihn als Medizin. Meist waren das Kräuter- und Würzweine. Joachim Kettner will an diese Tradition anknüpfen, wenn auch in bescheidenem Umfang. Denn statt eines Weinberges wachsen seine Reben auf einem Hügel von 1,50 Meter Höhe. Und ein Winzer sei er noch lange nicht mit 42 Rebstöcken, wehrt Kettner ab, als solcher gelte man erst ab 100 Weinstöcken. So wie seinerzeit die Christianisierung die Weinkultur aus dem Westen nach Brandenburg einführte, kamen auch 1997 nach Teltow 42 Rebstöcke aus der Schwesterndiakonie Bad Kreuznach, einer Weingegend in der Pfalz. Die Trauben der Sorte Phönix sind eine Neuzüchtung, die besonders robust ist und mehltaufest, außerdem ideal für leichten sandigen Boden. „Teltower Zehnruthen“ – benannt nach dem Zehnrutengraben – heißt nun die Hausmarke, die zu den seltensten Weinen der Welt gehört. 65 Liter brachte die diesjährige Ernte. Aus der Vorlese wird der erste Wein des Jahres gewonnen: Federweißer. Ein Saft, der nicht mehr Most ist, aber auch noch kein Wein, denn die Gärung des Traubenmostes hat gerade begonnen. Den Namen Federweißer verdankt er seiner milchig trüben Farbe, die von der im Most enthaltenen Hefe kommt. Spritzig-fruchtig ist der Geschmack, die typische Mischung aus Zucker und Alkohol sorgt für berauschende Wirkung. Acht Prozent Alkohol hat der Federweiße, den Kettner in diesem Jahr auf den Tisch brachte und der beim kürzlichen Weinfest im Diakonissenhaus für gute Stimmung bei den Gästen sorgte. Dazu gab es hausgebackenen Zwiebelkuchen. Demnächst wird Kettner wieder Etiketten auf Flaschen des neuen Weinjahrgangs 2004 kleben. Mit dem Weinkeltern war Kettner auf den Geschmack gekommen und versuchte sich vor einiger Zeit mit Kräuterrezepturen, wie einst auch die Mönche im Kloster Lehnin. Rund 1000 Male mischte er Kräuter und rührte wie ein mittelalterlicher Alchimist, goss Schnaps nach, roch und probierte, bis daraus „Klosterbitter“ wurde – ein grüner herzhafter Kräuterlikör. Unter den rund 20 Zutaten befindet sich unter anderem ostindisches Baumbasilikum. Über die restlichen Ingredienzien schweigt Kettner sich aus, das Rezept verwahrt er in einem Tresor.
Kirsten Graulich
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