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Kirchenasyl in Caputh: Einspringen im Härtefall
Einem jungen Mann aus Eritrea droht Abschiebung nach Italien. Die Gemeinde Caputh bietet ihm Asyl. Die Kirche springt in solchen Härtefällen immer häufiger ein.
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Schwielowsee - Seit jeher gilt hier das Gebot der Nächstenliebe, doch das ist selbst für die Caputher evangelische Gemeinde ein Novum: Die Kirche bietet seit einigen Wochen einem jungen Mann aus Eritrea Asyl. Pfarrer Hans-Georg Baaske bestätigte den PNN am gestrigen Freitag den Fall, bat aber mit Rücksicht auf sensible Gespräche mit den Behörden, keine Details zur Fluchtgeschichte und zum Schicksal des Afrikaners zu veröffentlichen. Medien hätten keinen Zutritt zu dem 29-Jährigen, der sich im Übrigen nur in der Landessprache Tigrinya verständigen könne.
Der Eritreer, der im Potsdamer Flüchtlingsheim Lerchensteig lebte, ist vom Potsdamer Laufclub ins Kirchenasyl vermittelt worden. Im Verein ist der talentierte Dauerläufer seit einigen Monaten Mitglied und nahm schon erfolgreich an Wettbewerben teil, wie Vorstandsmitglied Wolfgang van Straaten sagte. „Er soll nach dem Dublin-Abkommen nach Italien abgeschoben werden.“ Laut Dublin-Verfahren muss der Staat, in den der Asylbewerber eingereist ist, das Asylverfahren durchführen. Es ist umstritten, weil es Südländer besonders belastet.
Der Club unterstütze den jungen Mann im Kirchenasyl mit einem Netz aus Freiwilligen. Inzwischen haben man vier lauftalentierte schwarzafrikanische Flüchtlinge als Vereinsmitglieder aufgenommen. Van Straaten, der sich in den vergangenen Wochen zwangsläufig intensiver mit dem Thema befasst hat, findet es absurd, dass einerseits die EU-Kommission Italien entlasten und mehr als 20 000 Flüchtlinge in andere EU-Mitgliedsstaaten verteilen will, Deutschland aber Flüchtlinge nach Italien zurückschickt. „Für Diktaturen wie Eritrea muss beim Thema Dublin dasselbe gelten wie für Syrien“, findet er.
Das Bundesamt für Migration hatte im Juli eine Ausnahmeregel veröffentlicht: Syrische Flüchtlinge, denen die Abschiebung laut Dublin-Verfahren droht, sollen ihren Asylantrag in Deutschland stellen können. Doch selbst dieses Zugeständnis sei schwammig formuliert, wie Dietlind Jochims, Vorsitzende der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“, mitteilte. Für betroffene Syrer bedeute das weiter Unsicherheit.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft fordere Klarheit und Rechtssicherheit, darüber hinaus eine Aussetzung von Dublin-Überstellungen auch für Menschen aus anderen Ländern. „Niemand sollte im Rahmen einer europäischen Verordnung in menschenunwürdige Verhältnisse abgeschoben werden“, so Jochims. „Geflüchtete dürfen nicht länger wie Objekte in Europa hin und her geschoben werden.“ Ihre Bedürfnisse und Wünsche müssten bei der Entscheidung, wo ihr Asylantrag bearbeitet wird, berücksichtigt werden.
Die Kirche springt in Härtefällen immer häufiger ein, ohne viel Aufheben darum zu machen: Der in Berlin ansässigen Bundesarbeitsgemeinschaft sind derzeit neun Kirchenasyle in Brandenburg bekannt, wie eine Sprecherin gestern auf Anfrage sagte. Es handele sich um neun Erwachsene aus Eritrea, Iran, Kamerun, Syrien und dem Tschad. In Berlin würden derzeit sechs Kirchengemeinden insgesamt sieben Erwachsenen und drei Kindern Asyl gewähren, die aus Afghanistan, Eritrea, Syrien und dem Tschad kommen. Deutschlandweit sei die Anzahl der Kirchenasyle seit Jahresbeginn von 200 auf fast 300 angewachsen. 87 Prozent davon seien „Dublin-Fälle“.
Die Kirchengemeinden würden Asyl gewähren, um bei Abschiebungsverfahren in besonderen Härtefällen Zeit zu gewinnen, sagte der Potsdamer Flüchtlingspfarrer Bernhard Fricke gegenüber den PNN. In solchen Fällen seien die Kirchen auf den guten Kontakt zu den Behörden angewiesen, auch deshalb sei in der Kommunikation mit den Medien zu Einzelschicksalen Zurückhaltung geboten. „Das bedeute aber nicht, dass sich die Kirchen zu dem Thema nicht auch politisch äußern.“
Fricke kritisierte, dass der politische Streit um einen fehlenden Verteilschlüssel für Flüchtlinge in Europa auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen werde. Er betonte, dass Eritrea mit Syrien zu den Herkunftsländern gehöre, deren Flüchtlinge meist Asyl gewährt bekommen.
Der Uno-Menschenrechtsrat hat dem Regime in Eritrea erst im Juni willkürliche Hinrichtungen und systematische Folter vorgeworfen. Seit Jahren verschlechtert sich unter Staatschef Isayas Afewerki die Menschenrechtslage. Laut Uno fliehen aus keinem anderen Land Afrikas so viele Menschen nach Europa wie aus Eritrea. Zu den Gründen gehört auch der unbefristete Militärdienst.
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