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Potsdam-Mittelmark: Einstweilige Verfügung gegen Krankenhaus-Verkauf?

Mitbewerber Awo Sachsen-Anhalt hat sich ans Verwaltungsgericht gewandt / Kreis gab 1,6 Millionen Euro für Bieter-Gutachten aus

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Belzig - Mit dem Verkauf des Belziger Kreiskrankenhauses an die gemeinnützige Johanniter GmbH sieht Landrat Lothar Koch (SPD) den Standort in der Kreisstadt „langfristig abgesichert“. In einer knappen Entscheidung von 29 Ja- zu 27 Nein-Stimmen hatte der Kreistag am Donnerstagabend dem Verkauf von 74,9 Prozent der kreiseigenen Anteile am Krankenhaus an die Johanniter zugestimmt.

Das auf Platz Eins gesetzte Angebot der Awo Sachsen-Anhalt hatte in einem ersten Wahlgang mit 17 Stimmen nicht die erforderliche Mehrheit erreicht. Die Johanniter betreiben bereits das Krankenhaus in Treuenbrietzen, wodurch sich das Landratsamt Synergien zwischen beiden Häusern versprochen hatte. Bundesweit ist der Johanniterorden Träger von 70 Kranken- und Pflegeeinrichtungen.

Allerdings wird der Verkauf an die Johanniter bereits juristisch angefochten: Unmittelbar nach der Kreistags-Entscheidung wurde bekannt, dass die Awo Sachsen-Anhalt, die sich ebenfalls um den Kauf beworben hatte, beim Verwaltungsgericht eine einstweilige Verfügung beantragt hat. Die Awo hat Zweifel an der Vergabe und dem Bieterverfahren und will nun die Rechtmäßigkeit prüfen lassen.

Neben der Sicherung der medizinischen Versorgung und dem Erhalt der Arbeitsplätze sieht Landrat Koch das wirtschaftliche Risiko des Landkreises durch den Kauf minimiert. Das Belziger Krankenhaus schreibt seit 2003 rote Zahlen in Millionenhöhe. Die politische Opposition im Kreistag, in erster Linie Die Linke und die Grünen, sehen Missmanagement in der Geschäftsführung und Nachlässigkeiten bei der Kontrollpflicht des Aufsichtsrates als Gründe für die Schieflage, die das Haus an den Rand der Insolvenz brachte. Landrat Koch, Aufsichtsratschef der Kreiskrankenhaus GmbH, begründet die Liquiditätsprobleme derweil vor allem mit der schwachen Struktur des Hauses.

Bislang gewährleistet das Krankenhaus eine medizinische Grundversorgung – die dadurch erzielten Einnahmen würden wenig finanziellen Spielraum ermöglichen. Die 184 Betten seien eine zu geringe wirtschaftliche Größenordnung. Eine notwendige Verbesserung des medizinischen Angebots habe sich der Kreis nicht leisten können. Daher beauftrage der Kreistag Ende des vergangenen Jahres den Landrat, ein Bieterverfahren zum Verkauf des Hauses zu eröffnen.

Von ursprünglich 24 Interessenten wurden drei ausgewählt – neben den Johannitern sowie der Awo der private Betreiber Asklepios. Die Johanniter wollen das Kreiskrankenhaus wieder in finanziell sicheres Fahrwasser bringen und das medizinische Leistungsspektrum erweitern. Geschäftsführer Alexander von Stechow nannte gestern gegenüber den PNN eine Investitionssumme zwischen 5 und 6 Millionen Euro und weitere „liquide Mittel“.

Mit seinem medizinischen Konzept will der neue Betreiber den vorhandenen stationären Bereich stärken. In der Inneren Medizin und in der Chirurgie soll das Leistungsangebot erhöht, in der Kinderheilkunde soll eine Kinderrheumatologie etabliert werden, um den Einzugsbereich zu erweitern. Geburtshilfe, vorgeburtliche Behandlungsangebote, Pränataldiagnostik und minimalinvasive Verfahren in der Gynäkologie sollen den Standort fachspezifisch prägen. Von Stechow kann sich zudem vorstellen, dass sich das Belziger Haus auch als Unfallklinik etabliert – die Nähe zu den Autobahnen A 2 und A 9 sowie ein Hubschrauberlandeplatz auf dem Krankenhaus seien gegebene Voraussetzungen für ein solches Angebot. Als Pilotprojekt kann sich der Johanniter-Geschäftsführer den Einsatz mobiler Ärzte vorstellen. Die „Flying Doctors“ könnten in entfernten Ortschaften, in denen die Johanniter aufgegebene Praxen kauft, eine ärztliche Versorgung sicherstellen.

„Wir werden die Bettenzahl nicht erhöhen“, so von Stechow. Doch durch eine breitere medizinische Palette wolle man den Auslastungsgrad erhöben. „Wir werden die Fallschwere erhöhen“ – durch einen höheren medizinischen Operations- und Behandlungsstandard sollen die Einnahmen verbessert werden. Letztlich sollen sich durch Synergien in der Verwaltung, in den Labors, beim Rechnungswesen zwischen dem Belziger und dem Treuenbrietzener Krankenhaus Sparpotenziale ergeben. Mit dem Kauf haben sich die Johanniter vertraglich verpflichtet, die kommenden fünf Jahre betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen. Die noch während des Bieterverfahrens abgeschlossenen Tarifverträge mit Verdi und dem Marburger Bund werden akzeptiert.

Vor der Beschlussfassung im Kreistag hatte die Fraktion der Linken an den Landrat 2839 Unterschriften von Bürgern überreicht, die den Verbleib des Krankenhauses beim Landkreis forderten. Vor dem Landratsamt in Belzig verlangten etwa 100 Demonstranten, das Haus nicht zu verkaufen. Koch sah sich als verfehlter Adressat der Unterschriften: „Das ist eine tragische Verwechslung!“ Gleichwohl er den Verkauf des Krankenhauses selbst als notwendig betrachtet, hatte er den klaren politischen Auftrag des Kreistages, die Verkaufsabsicht zu annoncieren.

Die für gestern geplante notarielle Beurkundung des Kaufvertrags ist durch den Antrag der Awo Sachsen-Anhalt auf eine einstweilige Verfügung gestoppt worden. Deren Geschäftsführer Wolfgang Schuth sieht „viele Ungereimtheiten“. Das Bieterverfahren werfe Fragen auf, weshalb die Awo den Verkauf rechtlich prüfen lassen will. Der Landkreis selbst hatte eine Prüfung der Kaufangebote in Auftrag gegeben – was er sich 1,6 Millionen Euro kosten ließ. Das Gutachten setzte die Awo-Offerte auf Platz Eins und empfahl sie als bestes und wirtschaftlichstes Angebot. „Wir haben den höchsten Kaufpreis, das beste Personalkonzept sowie das schlüssigste inhaltliche Konzept“, so Schuth unter Berufung auf das Gutachten. Es sei daher unverständlich, dass der Bieter mit dem geringsten Kaufpreis den Zuschlag erhalten hat. Entscheidend sei offenbar nicht das wirtschaftlichste Angebot, sondern die „Stimmungsmache bestimmter politischer Kreise“, befindet der anhaltinische Awo-Chef. Mit der juristischen Prüfung wolle die Awo sicher gehen, dass Transparenz und Gleichheitsgebot gewährleistet waren.

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