Potsdam-Mittelmark: Energische Abfuhr
Die Frage zu Sinn oder Unsinn von Windkraftanlagen auf den Rieselfeldern zwischen Stahnsdorf und Teltow ist exemplarisch: Wie viel eiserne Mühlen verträgt das Land?
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Die Frage zu Sinn oder Unsinn von Windkraftanlagen auf den Rieselfeldern zwischen Stahnsdorf und Teltow ist exemplarisch: Wie viel eiserne Mühlen verträgt das Land? Von Peter Könnicke Stahnsdorf. Irgendwann ging das Augenmaß verloren. Als sich die Saat der Windkrafträder vom Nordwesten der Republik bis ins Märkische auszubreiten begann, drehten sich hier und dort einzelne Rotoren in luftiger Höhe. Dank rot-grüner Wachstumsförderung mehrten sich die blechernen Riesen und warfen vielfach ihre Schatten über Dörfer im märkischen Sand. Und wo etwas steht, darf – so erlauben es die Paragrafen des Baugesetzes – ein zweites in gleicher Form und Größe gebaut werden. Und nach dem Zweiten ein Drittes. Heute stellt Brandenburgs Innenminister Jörg Schöbohm erschrocken fest: „Windkrafträder schossen wie Spargel aus dem Boden!“ Zu 25 Prozent kann heute in Brandenburg alternative Energie allein durch Wind produziert werden. Bundesweit sollen es 2010 indes 12,5 Prozent, die an Ököstrom ins Netz gehen soll. Ursache für den Spitzenwert ist nicht, dass der Wind im Märkischen besonders heftig weht. Vielmehr hat das Land – auch in der Hoffnung auf Arbeitplätze – Anlagenbauer fleißig gewähren lassen. Am Dienstag, als in Stahnsdorf über den Sinn von Windkrafträdern auf den einstigen Rieselfeldern diskutiert wurde, bilanzierte Schönbohm: „Bei Wind haben wir es übertrieben.“ Um dem Wildwuchs Einhalt zu gebieten, musste ein geordneter Pan her. Also suchten die Regionalplaner für den Landstrich Havelland-Fläming nach geeignetem Terrain für Windkraftanlagen und fanden neben 16 weiteren Gebieten die ehemaligen Rieselfelder nahe Stahnsdorf und Teltow. Schon einmal wurde das Gebiet auserkoren. Bei ihrer gemeinsamen Betrachtung des Speckgürtels erkannten die Raumordnungsexperten aus Berlin und Brandenburg in den ehemaligen Rieselfeldern um Ruhlsdorf, Großbeeren, Sputendorf, Schenkenhorst und Güterfeld eine „im leicht verwilderten Zustand geometrische Idylle und einen Lebensraum vieler seltener Arten“. Um verbleibende Landschaftsgebiete wie dieses vor Zersiedelung zu bewahren und zum Schutze vor anderen Nutzungsarten wurde das Regionalparkmodell entwickelt. Der Landschaftsraum mit den Rieselfeldern soll als „Teltowpark“ zur touristischen Naherholung entwickelt werden. Um so widersprüchlicher erscheint, warum genau in diese Landschaft 21 Windkrafträder gehievt werden und bis auf 800 Meter an die Siedlungsbereiche heranrücken sollen. „Das ist ein Frontalangriff auf die Ortschaften“, stöhnt Frank Schmidtke von der Bürgerinitiative „Stahnsdorf Süd“ angesichts der „Bedrohung.“ Dem Stahnsdorfer Bürgermeister Gerhard Enser (CDU) ist die Vorstellung so absurd, das er dem Investor für den geplanten Windpark jegliche Kooperation verweigert und Fragen nach Siedlungsdaten unbeantwortet lässt. „Es gibt einen klaren Konsens unter den Orten, dass der auserwählte Standort unerträglich ist. Daher ist eine Zusammenarbeit nicht zu leisten.“ Verhindern lässt sich das Projekt so allerdings nicht. Der Bauherr des geplanten Windräder, die Prokon Energiesyteme GmbH aus Itzehoe, hat eine Studie veranlasst, in der die Umweltauswirkungen des Vorhabens und der Lärmfaktor der Anlagen untersucht werden. Das Ergebnis wird mit Belangen des Landschaftsschutzes und der Siedlungsentwicklung abgewogen. Das Resultat ist völlig offen. Da aber das rot-grüne Regierungsbündnis Windräder als „priviligierte Anlagen“ geadelt hat, braucht es reichlich Gegenwind, um zu verhindern, was nicht gefällt und zudem unsinnig erscheint. Denn dass Windenergie inzwischen im Überschuss produziert wird, der weder zu verwerten noch zu speichern ist und daher zusätzliche Kosten verursacht, macht inzwischen Netzbetreibern und Stromversorgern wie der E.DIS AG, immerhin größter Zulieferer im Nordosten Deutschlands, zu schaffen. „Ökonomischen und ökologischen Unfug“ nennt E.DIS-Vorstand Hans Hellmuth die erreichten Dimension der Energiegewinnung durch Wind. „Inzwischen“, so Hellmuth, „blockiert Windkraft den Ausbau anderer regenerativer Energien.“ Doch trotz wachsender Kritik, enormer Subventionen und ökologischer Bedenken zeigt sich Deutschlands Umweltminister Trittin als überzeugter Freund des Windes und verteidigt das Erneuerbare-Energie-Gesetz, das die Förderung von Windkraftanlagen möglich macht. So lange der Ruf nach politischer Um- kehr im Winde verweht und die Förderung eines gesunden Energie-Mixes über halbherzige Ansätze nicht hinauskommt, so lange Kommunen wie Stahnsdorf in ihrer Selbstverwaltung so beschnitten werden, dass trotz klarer Ablehnung Windparks gebaut werden, bleibt nur eines: die Klage. Wo Brandenburgs Landesregierung lange geschlafen hat und sich heute überrascht zeigt, wie dicht Windräder märkischen Dörfern auf den Pelz gerückt sind, haben längst ehrgeizige und versierte Rechtsanwälte die Initiative übernommen. „Im Land war lange Windstille, die Kommunen wurden im Regen stehen gelassen“, tadelt der für Bürgerinitiativen tätige Jurist Christian W. Otto. Was Dorfbewohner vor ihrer Haustür längst erkannt haben und Bürgermeister wie Enser mahnend den Finger heben ließ, habe das Land unterschätzt: ein enormes Konfliktpotenzial – sowohl für die Landschaft, wie auch für Betroffene. Schon vor zwei Jahren habe die Bürgerinitiative gegen Windkraft-Anlagen zwischen Elsholz und Wittbrietzen eine Petition an den Landtag geschickt. „Bis auf zwei Zwischenbescheide und einem Zweizeiler aus der Staatskanzlei haben wir bislang nichts gehört“, bestätigt Kathrin Winzek die „Heile-Welt-Stimmung“ in Potsdam. „Klare politische Vorgaben hätten Wildwuchs verhindern können“, attestiert Thomas Mock, Rechtsbeistand der Bürgerinitiative „Stahnsdorf Süd“, der schwarz-roten Koaltion in Brandenburg Versäumnisse. Nun sei sie gefordert, unverzüglich klare Ziele zu definieren. Der eisernen Windmühlen, die sich auf märkischen Feldfluren in den Himmel recken, haben offenbar den Landesregenten die Augen geöffnet. Er würde „alle Windkraftanlagen am liebsten wieder umlegen“, outete sich jüngst Umweltminister Wolfgang Birthler. „Die Zerstörung von ländlichen und Siedlungsstrukturen muss verhindert werden“, mahnt Schönbohm. Vor einem „ideologischen Übergewicht“ der Windenergie mahnt Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns. Doch dürfe nicht generell gegen Windkraft Sturm gelaufen werden, auch wenn die fehlende Akzeptanz in Stahnsdorf begründet sei. Vielmehr aber brauche es in Brandenburg, so Junghanns, neben der Braunkohle einer gesunden Proportion von Windenergie, Geothermie und Strom aus Biomasse. Boomte bisher unterm preußischen Adler das Geschäft mit Windrädern – Ende 2002 gab es 1325 Anlagen in der Mark – sind das neue Töne von den Landesoberen. „Es geht nur mit politischem Druck“, beeilt sich daher Bürgermeister Enser zu fordern. Denn als Kommune habe Stahnsdorf dem Privileg „Windkraft“ Rechnung zu tragen und bis auf die Fähigkeiten der Fachanwälte wenig Mittel zur Gegenwehr. Zwar hat die Gemeinde über das Gebiet des geplanten Windparks „Westlicher Teltow“ einen Bauleitplan mit einer zweijährigen Veränderungsperre verhängt. Doch eine „Feigenblatt- und Verhinderungsplanung ist uns nicht erlaubt“, betont der Bürgermeister, dass man sich lediglich etwas Luft verschafft hat. Zwar hofft Anti-Windkraft-Anwalt Otto, dass in „drei Jahren der Spuk vorbei ist“, darauf verlassen will sich Enser nicht. Daher setzt er weiter auf Mobilmachung nach dem Vorbild der havelländischen Gemeinde Tietzow. Dort gelang es, höchste politische Kreise im Land zu mobilisieren, so dass ein Verzicht auf das Tietzower Gebiet für Windkraftanlagen beschlossen wurde.
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