Potsdam-Mittelmark: Erfolge und Nöte in Teltow-Seehof
Ministerpräsident Platzeck entdeckt bei seinem Besuch am Forschungsstandort „Weltnivau“ und Handlungsbedarf für die Politik
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Ministerpräsident Platzeck entdeckt bei seinem Besuch am Forschungsstandort „Weltnivau“ und Handlungsbedarf für die Politik Von Kirsten Graulich Teltow. Forschung und Entwicklung haben bei vielen Abgeordneten noch immer einen zu geringen Stellenwert. Mit dieser Anmerkung machte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) am Mittwoch im Gespräch mit Wissenschaftlern des Forschungsstandortes Teltow-Seehof deutlich, wie wichtig es ist, dass Brandenburgs Forschungslandschaft auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Den Tag der offenen Tür, der am Wochenende zuvor rund 500 Besucher die zukunftsfähigen Potenziale Teltower Forscher hautnah erleben ließ, wertete Platzeck als richtiges Zeichen. Beeindruckt zeigte sich der Ministerpräsident beim Rundgang durch die Labore des GKSS-Institutes für Chemie. Dort entwickeln Wissenschaftler Gerüstmaterialien aus Kunststoff, auf denen aus Hautzellen funktionsfähiges Ersatzgewebe gezüchtet werden kann. Vorgestellt wurden auch Kunststoffe mit Formgedächtnis, die bei Körpertemperatur in ihre ursprüngliche Form zurückgehen. Diese Eigenschaften machen sie vor allem für die Knopflochchirurgie interessant, da sie das Vernähen von Körpergewebe innerhalb kleinster Öffnungen ermöglichen. Auch die Außenstelle des Fraunhofer Institutes stellte Kunststoffe vor, die flammfest und temperaturbeständig sind, besonders interessant aber ist ihre Bruchzähigkeit für die Luftfahrt. „Weltspitze, Weltnivau, einzigartig“, konstatierte Platzeck während seiner Besuche in den Instituten. Hier liege das Potenzial, was „uns die Wertschöpfung bringt“, ist Platzeck überzeugt. Nun verlange es viel Kraft, Vernetzungen und für die auf Wissen basierenden Technologien Kooperationen zu finden. Viele Institute und Firmen des Teltower Forschungsstandortes arbeiten bereits in Netzwerken mit Industriepartnern im In- und Ausland zusammen. Wichtig für die Forschungsarbeit sei aber auch das Umfeld am Standort. Platzeck versicherte den Wissenschaftlern, das Land werde die Bedingungen für die Forschung in Teltow-Seehof unterstützen. Wie viele Reserven das Land Brandenburg hat, wurde im Gespräch besonders am Beispiel des Institutes BIOPOS klar, dessen Konzept vor allem für die regionale Landwirtschaft zukunftsweisend ist. Gemeinsam mit dem US-Lebensmittel- und -Chemie-Konzern Cargill Dow plant das Institut eine Grüne Bio-Raffinerie im Land Brandenburg. Gras, Blätter und Luzerne sind die Rohstoffe für die Raffinerie, deren Endprodukte nicht nur Energie sondern auch Futtermittel, Werkstoffe, Chemikalien und Kraftstoffe sein können. Die Palette umfasst mehr Produkte als in einer Erdölraffinerie hergestellt werden können. Dazu gehören Süßstoffe, Stärke, Proteine, Milchsäure, Lösungsmittel, Papiere, Textilien und Kunststoffe. Angesichts der bioabbaubaren Verpackungsmaterialien, die Institutsleiterin Dr. Birgit Kamm dem Ministerpräsidenten überreichte, zeigte sich dieser überrascht: „Ich glaubte bisher bei diesem Thema stecken wir noch in den Kinderschuhen, jetzt wird deutlich, dass wir viel weiter sind". Mit diesem wissenschaftlichen Know how, ausreichenden Rohstoffen in der Region und einem amerikanischen Investor könnte so ein Projekt doch richtig powern. Deshalb wollte Platzeck wissen: „Wo ist die Hauptbremse?" „Uns blockieren die Rahmenbedingungen, vor allem die deutsche Verpackungsverordnung", schilderte Kamm, wie hinderlich vorhandene Entsorgungswege sind, da diese eine Markteinführung nachhaltiger Werkstoffe nicht ausreichend berücksichtigen. Die Marktentwicklung finde daher überwiegend außerhalb von Deutschland statt. So betreibe Cargill Dow bereits eine Bio-Raffinerie in Nebraska, auch in Österreich und Frankreich sind die Rahmenbedingungen günstiger. „Deutschland aber verliert den Anschluss", mahnte BIOPOS-Vorstand Jörg Beckmann Korrekturen in der Politik an. Dabei ginge es vor allem um die stoffliche Verwertung nachwachsender Rohstoffe. Chancen für die Landwirtschaft Auch für die heimische Landwirtschaft könnte das zum Erfolg werden, der zudem Arbeitsplätze schaffe. Erfolgreich sei bereits in Kassel ein Modellprojekt mit der Biotonne verlaufen, erklärte Birgit Kamm gegenüber den PNN. Machbar sei das auch in Brandenburg, wo BIOPOS bereits ein Netzwerk mit der Futtermittel-Selbelang GmbH, Agrartechnik Bornim, Forschungsgruppen der Universität Potsdam und anderen Firmen gebildet habe. Grüne Bio-Raffinerie würde Brandenburg ganz neue Märkte eröffnen, deshalb ist es auch wichtig das Thema in Lehre und Forschung einzubeziehen, so Kamm.
Kirsten Graulich
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