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Potsdam-Mittelmark: Erst Kuchen, dann Kugeln

Die SPD warnt vor einer Waschbärenplage in Werder, bislang sind Füchse das größere Problem

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Werder (Havel) - Wild West in der Mark: Waschbären haben Brandenburg als Lebensraum entdeckt. Mehr als 25 000 Tiere soll es inzwischen geben. Von Strausberg aus hatten sie ihren Siegeszug durchs Land angetreten, nachdem dort zum Ende des Zweiten Weltkriegs eine Bombe in eine Pelztierfarm eingeschlagen war. Als Mitte der 90er Tierschützer auch noch Pelztierfarmen zerstörten, ist die Zahl weiter gestiegen.

Sind Waschbären auch in Werder ein Problem? Tatsächlich gelten die Allesfresser als Naschkatzen, die für Obst und Beeren manche Risiken auf sich nehmen. Das Obstbaugebiet an der Havel hat also gewisse Voraussetzungen, zu den Blue Ridge Mountains zu werden. Werders SPD sorgt sich besonders um den Erhalt des Wachtelbergs: Auf einem Weinberg im uckermärkischen Annenwalde haben die Knopfaugen ganze Ernten vernichtet. „Zum Schutze unserer Bürger, unseres Weinbergs und unserer Obstplantagen besteht dringender Handlungsbedarf“, mahnt SPD-Fraktionschef Joachim Lindicke. Zur Stadtverordnetenversammlung will er das Rathaus beauftragen, ein „Konzept zur Regulierung der Waschbärenpopulation in Werder“ auszuarbeiten.

Werders Jagd- und Hegegemeinschaft ist an sich dankbar für die Aufmerksamkeit. Von einem Waschbärenproblem mag Wildbewirtschafter Bernd Jaenecke allerdings noch nicht sprechen. Im vorigen Jahr war er es, der den einzigen „Schupp“ zwischen Werder und Petzow zur Strecke brachte. Im Novembermond hatte er auf dem Ansitz egntlich auf Schwarzwild gewartet. Im Jahr 2006 war ein Waschbär in Petzow von einem Auto überfahren worden. Jagdpächter Dirk Arnold hatte sich – nach dem Vorbild der Trapperlegende Daniel Boone – von seinem Jagderfolg wiederum im Jahr zuvor eine Mütze schneidern lassen. Boonscher Pioniergeist ist an der Potsdamer Havel aber noch nicht gefragt.

Ein Wildregulierungskonzept würden die Jagdpächter dennoch sehr begrüßen. So sollte davor gewarnt werden, im Garten Katzenfutter aufzustellen oder gar der Versuchung zu unterliegen, die possierlichen Waschbären mit Obstkuchen zu füttern: Es könnte sein, dass sie nächstes Mal ihre Familie mitbringen. Wenn sich die Tiere auf Böden oder in Kellern ansiedeln, Lärm und Dreck machen und den Hund oder die Katze beißen, ist Schluss mit Lustig.

„Wenn man über Waschbären spricht, sollte man aber auch gleich Füchse, Marder und Marderhunde einbeziehen“, sagt Jagdpächter Walter Ihl. Sie seien ein weit größeres Übel: Jährlich werden 50 bis 70 Füchse zur Strecke gebracht – und ein halbes Dutzend Marder und Marderhunde. Bernd Jaenecke erzählt, wie er wegen eines Reinekes zum Weinberg gerufen wurde. Seine Höhlen hatten die Bewirtschaftung erschwert und die Rebstöcke angegriffen. „Der Winzer war froh, als er den Fuchs los war.“ Auch Hühner- und Kleintierzüchter rufen die Jagdpächter wegen der Fuchsplage oft zur Hilfe.

Walter Ihl erinnert sich, dass in der DDR Prämien für Fuchs- und Marderstrecken gezahlt wurden. Zwar ist die Jagd ein Freizeitvergnügen, doch auch den hiesigen Jagdpächtern laufen die Kosten, zum Beispiel für Kraftstoff, davon. Ihl: „Wir wären absolut erfreut, wenn jemand in diese Richtung denken würde.“ Denn die Absatzchancen für Waschbärenfelle halten sich – anders als damals in Salisbury – in Grenzen. Henry Klix

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