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Potsdam-Mittelmark: Erste Seehof-Villa mit reicher Geschichte

Heimatverein fürchtet Abriss des Anwesens, das als Sommersitz der Familie Salomon errichtet wurde

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Teltow - An den trostlosen Anblick der alten Villa in der Max-Sabersky-Allee 2 scheinen sich viele Teltower gewöhnt zu haben. Genutzt wird das Gebäude des ehemaligen Kindergartens „Däumelinchen“ seit Jahren nicht mehr, nur als Wahlbüro diente es zeitweise. Jetzt allerdings läutet der Heimatverein die Alarmglocken, denn nach seinen Informationen droht der städtischen Immobilie die Abrissbirne. Nach Angaben des Vereins gibt es eine entsprechende Beschlussvorlage für die Stadtverordnetenversammlung, offenbar ist ein Neubau an gleicher Stelle geplant.

In einem Brief an die Stadtverordneten weist Vereinschef Peter Jaeckel auf die Bedeutung des Anwesens hin, auf dem 1873 die erste Villa der Villenkolonie Seehof errichtet wurde. „Teltow besitzt mit diesem Anwesen ein Kleinod mit noch erkennbaren Resten eines Parks, der ursprünglich am Teltower See lag. Die Steganlagen mit einem Pavillon sind noch erkennbar.“ Unbedingt erforderlich sei daher eine neue Nutzung für den Erhalt der Villa, meint der Verein, der zudem „eine Chance sieht für eine zielgerichtete Vermarktung mit dem Hinweis auf die Geschichte und die ehrwürdigen einstigen Bewohner dieses Anwesens“.

Schon in einem Artikel vom Dezember 1988 in den Brandenburgischen Neuesten Nachrichten hatte Heimatvereinsmitglied Günter Duwe auf das Schicksal des Berliner Bauherren Emil Salomon und seiner Familie hingewiesen, die Seehof zu ihrem Sommersitz erkoren hatten. Die jüdische Familie Salomon fühlte sich dem Ort so verbunden, dass sie sich auch finanziell an der Verkehrserschließung der Dampfstraßenbahn beteiligte, die seit 1888 Berlin-Lichterfelde mit Teltow verband. Weltberühmt wurde ein Sohn der Familie, der 1886 als viertes Kind zur Welt kam und als einer der ersten Bildjournalisten der Welt gilt: Erich Salomon verbrachte seine Kindheits-Sommer in der Villa. Er gilt als erster Vertreter der Zeitungsbranche, der Politikern mit der Kamera „auf den Leib“ rückte. Zur Arbeit ging er exzellent gekleidet mit einem lichtstarken Objektiv seiner „Ermanox“, dem ersten handlichen Fotoapparat. Einiges Zubehör entwickelte er selbst, wie ein manipuliertes Hörgerät, einen schwarzen Verband für einen scheinbar gebrochenen Arm oder ein präpariertes Diplomatenköfferchen, um darin jeweils seine Kamera zu verbergen.

Der Reporter, der die Kunst des Unsichtbarwerdens beherrschte, bewegte sich sicher auf jedem Parkett, ob im Genfer Völkerbund oder Reichstag. Die Berliner Illustrierte Zeitung und die Münchner Illustrierte Presse druckten seine Porträts und Reportagen, auch ausländische Zeitungen. Ab 1933 gab es für ihn in Deutschland keine Arbeit mehr, er emigrierte mit seiner Familie nach Holland. Nach der Besetzung durch die Deutschen wurde die Familie Salomon denunziert. Im Juli 1944 wurden Erich Salomon, seine Frau und sein Sohn in Auschwitz ermordet. Ab 1971 wurde von der Gesellschaft für Fotografie erstmals ein Preis nach ihm benannt: Der „Erich-Salomon-Preis“. Kirsten Graulich

Kirsten Graulich

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