Potsdam-Mittelmark: „Es geht mehr als bisher“
Die Kirchenstrukturen im Land müssen neu justiert werden: ein gutes Beispiel aus Beelitz-Treuenbrietzen
Stand:
Beelitz / Michendorf - Der Kirchturm, das Dorf, der Pfarrer, seine Herde – das andächtige Bild der evangelischen Kirche ist im Wandel. Generalsuperintendent Hans-Ulrich Schulz weiß, dass auch in seinem Neuruppiner Sprengel die demographische Kurve nach unten weist. Schon jetzt sei eine gewisse Überalterung in den Gotteshäusern spürbar. Und Zuzug findet in manchen märkischen Flecken fast nicht mehr statt.
Im deutschen Durchschnitt kommen auf jeden Pfarrer 1700 Gemeindeglieder, in Schulz“ Sprengel – der Nordwesthälfte Brandenburgs – haben die Gemeinden gerade in der Peripherie oft weniger als 1000 Kirchensteuerzahler. Noch ließe sich das mit Hilfe des prosperierenden Speckgürtels verkraften, sagt Schulz. Aber man müsse sich auf härtere Zeiten vorbereiten. Druck auf die 14 Kirchenkreise gibt es nicht, betont der Generalsuperintendent, „eher die allgemeine Einsicht, dass allzu kleine Gemeinden ihren Aufgaben künftig vielleicht nicht mehr gerecht werden können“.
Die erste finanzielle Krise Mitte der 90er Jahre hatte die Landeskirche mit ihren vier Sprengeln noch mit etwas Stellenkosmetik überstanden. Jetzt will man sich nachhaltiger auf die Zukunft vorbereiten. Gelassenheit wünscht sich Schulz für den Prozess, wohl wissend, dass er auch mit Ängsten verbunden ist. Traditionelle Strukturen werden infrage gestellt, wenn wie angedacht, aus den Kirchenkreisen Potsdam und Falkensee ein gemeinsamer wird. Im Kirchenkreis Wittstock-Neuruppin klagten 16 Gemeinden, als ihre Kreissynode über ihre Köpfe hinweg im Herbst eine Fusion von 50 Gemeinden zu fünf Großgemeinden beschlossen hatte.
Vergleichsweise still geht ein Reformprozess vonstatten, der von drei Kirchenkreisen vor der Haustür im Herbst gestartet wurde. Im Sprengel wird gern mit diesem guten Beispiel geworben: Die Kreissynoden von Beelitz-Treuenbrietzen, Lehnin-Belzig und Brandenburg haben sich den 1. Januar 2010 als Termin für ihren Zusammenschluss gesetzt. Aus drei Kirchenkreisen soll einer werden, sagt Uwe Breithor, Vorsitzender des Kirchenkreises Beelitz-Treuenbrietzen. Und diesen Weg wolle man gemeinsam mit den Kirchengemeinden gehen. In dem Trio gibt es derzeit 31600 Gemeindeglieder, nach Hochrechnungen sind es im Jahr 2020 ein sattes Drittel weniger. „Die größten Spareffekte gibt es beim Personal“, gesteht Breithor. Die 62 derzeit bestehenden Vollzeitstellen sollen in den nächsten Jahren auf voraussichtlich 48 Stellen heruntergefahren werden – und das möglichst schmerzfrei, ohne betriebsbedingte Kündigungen und ohne Ausfälle in der seelsorgerischen Betreuung. Im Gegenteil: Jenseits eingefahrener Gleise will man wieder Fahrt aufnehmen.
Erste Gedanken über das Wie gibt es schon: Statt der mehr als 100 Kirchengemeinden soll es künftig acht oder neun gut ausgestattete Regionen geben. Verwaltung, Katechetik, Jugend- und Konfirmandenarbeit sowie die Kirchenmusik sollen hier gebündelt werden. Regionale Kirchenräte würden planen, wo welche Leistungen benötigt werden und wann die Gottesdienste stattfinden. Die Krankenhausseelsorge und der Religionsunterricht sollen künftig vom Büro der Kirchenkreisleitung aus gesteuert werden. Positiver Nebeneffekt: Die Arbeit der Pfarrer soll sich wieder auf das beschränken, was sie gelernt haben. „Die Fusion ist auch eine Chance, über neue und bessere Arbeitsstrukturen nachzudenken“, sagt Breithor.
Und was wird mit den Kirchtürmen? Die drei Kreissynoden haben im Herbst eine Fusionskommission gebildet, deren 13 Mitglieder derzeit ein Konzept entwickeln, Gespräche in den Gemeinden führen und sich nun mit einem Brief an alle Gemeindekirchenräte wenden. Der Fusionsbeschluss soll im Herbst 2009 in den Kirchenkreisen gefasst werden. Tatsächlich macht sich das Gremium auch über die Infrastruktur Gedanken. In den Kirchenregionen könnte durch einen gemeinsamen Bauetat besser über notwendige Sanierungserfordernisse entschieden werden, sagt Breithor.
Doch es gibt auch schmerzhafte Fragestellungen. Beispiel Schäpe: In der klassizistischen Kirche des Spargeldorfs findet für die 140 Einwohner ein Gottesdienst im Monat statt. Laut Sanierungsgutachten besteht ein Investitionsbedarf von mehr als 250 000 Euro. „Über eine Sanierung wird man nur reden können, wenn es ein Nutzungskonzept mit weiteren Partnern gibt“, sagt Breithor, der selbst die Feuerwehr oder den Beelitzer Spargelverein dafür nicht ausschließt. Breithors Motto steht für den gesamten Prozess: „Es geht sicher nicht alles, aber mehr als bisher.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: