Potsdam-Mittelmark: Exoten dürfen draußen bleiben
In Teltows Vogelpark herrscht Umzugsstress. Der Zoochef dirigiert Fasane mit väterlicher Strenge
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In Teltows Vogelpark herrscht Umzugsstress. Der Zoochef dirigiert Fasane mit väterlicher Strenge Von Peter Könnicke Teltow - Schlaflose Nächte hat Horst Lübeck häufig: Der Ärger mit der Bahn AG, die direkt hinter seinem Vogelpark und Streichelzoo den neuen S-Bahndamm gebaut und damit seine Pferdekoppel unbrauchbar gemacht hat, ein Gerichtstermin nächste Woche, die ramponierte Toreinfahrt, weil ein Auto den Pfeiler gerammt hat – all das lässt ihn schlecht schlafen. Deshalb hört Lübeck nachts stundenlang Radio. Auch vorletzte Nacht, als sie in den Nachrichten alle 20 Minuten verkündet haben, dass die Vogelgrippe im Anflug ist und ab sofort Stallpflicht für Geflügel herrscht. Spätestens da war die Nacht vorbei. Noch bevor es hell wurde und draußen im Vogelpark das Gackern, Zwitschern und Trillern einsetzte, begann Lübeck zu überlegen, wie er sich am besten schlau macht, was zu tun sei. 350 Mitglieder zählt die tierische Familie an der Teltower Feldstraße. Pferde, Esel, Schweine, Kaninchen. Wie viele Vögel es in den Volieren und Gattern sind, kann Lübeck nicht auf Anhieb sagen. Zumindest sind es so viele und vor allem exotische Exemplare, dass sich ein Ausflug in den Tierpark lohnt. Jedenfalls sagt Lübeck, dass er in diesem Jahr mit den Besucherzahlen sehr zufrieden ist. So exotisch die Blaukopf- und Rosellasittiche, die Kanarienvögel und Papageien in den Volieren sind, so unklar ist Lübeck, welche Vorkehrungen er für die bunten Vögel treffen soll. Bei Hühnern, Enten und Gänsen sind die Anweisungen zweifelsfrei: Sie müssen in den Stall. Doch was ist mit Fasanen und Pfauen und dem farbenprächtigen Gefieder aus Australien? Was ist mit den Tauben? Um 10 Uhr ist Lübeck ins Rathaus gefahren, um sich zu informieren. Für die Belegschaft ist in dieser Zeit Alltag im Vogelpark und Streichelzoo. Sie misten Ställe aus und füttern die Tiere. Eine Kolonie Spatzen sitzt in breiter Front auf dem Zaun des Wildschweingeheges und macht leichte Beute, indem sie sich im regelmäßigen Sturzflug über die Futterreste hermacht. Die Spatzen sind harmlose Dauergäste im Vogelpark. Gefahr droht von Wildgänsen, die derzeit von Russland nach Westen fliegen. Zwar hat Lübeck bislang nicht bemerkt, dass sein Tierpark in der unmittelbaren Flugschneise der Zugvögel liegt, doch stellt er die Direktive der Behörden nicht in Frage, Vorkehrungen zu treffen. Wirklich weitergeholfen hat ihm die Visite im Rathaus nicht. Den Amtsleiter hat er nicht erreichen können. Auch der auf exotische Vogelarten spezialisierte Tierarzt der Potsdamer Tierklinik war nicht zu sprechen. „Die sind alle im Stress“, zeigt Lübeck gutmütig Verständnis. Zumindest hat er in Erfahrung gebracht, dass die Reb- und Perlhühner, Enten, Gänse, Fasane und Truthühner wegzusperren sind. Während der Frühstückspause entsteht der Umzugsplan. Die Hühner und Enten kommen in den Stall mit dem Fenster. „Wenn es zu eng wird, hauen wir ein paar in die Pfanne“, scherzt Lübeck, weil jeder weiß, dass er eher einen neuen Stall bauen würde, als eines der Tiere zu opfern. Auch die Königsfasane bekommen Umzugsstress: Sie ziehen quer übers Gelände. Die neuen Volieren werden zwar nicht so groß sein, wie ihre angestammten Domizile. „Aber damit müssen sie Vorlieb nehmen“, sagt Lübeck mit väterlicher Strenge. „Alle müssen sich ein bisschen einschränken.“ Lübeck und seine Mitarbeiter werden die Voliere abdecken. Die Idee, dafür Schilf zu verwenden, hat er gleich verworfen. „Das bringt nichts, das hält nicht dicht.“ Sie werden teure Teichfolie über die Voliere spannen und als „Zwischendecke“ Tannenzweige verwenden. „Das schützt und sieht hübsch aus.“ Die Volieren mit den Exoten werden – wie immer im Winter – mit Seitenwänden geschützt. Einsperren will Lübeck sie nicht. „Anders als Hühner brauchen sie viel Frischluft.“ Und wer glaubt, dass Sittiche und Papageien bei niedrigen Temperaturen frieren und ohnehin ins Warme gebracht würden, wird von Lübeck belehrt: „Die sind robust, die halten was aus.“ Aus dem Belziger Veterinäramt erhält Lübeck am Nachmittag die Eilverordnung, dass Tierhalter jetzt verpflichtet sind, ihren Tierbestand bis zum Jahresende mindestens einmal monatlich vom Hoftierarzt untersuchen zu lassen und dies auch zu dokumentieren. Zusätzlich muss in dieser Zeit der Bestand einmal virologisch untersucht werden. Für Exoten, so die Amtstierärztin, seien keine Schutzmaßnahmen notwendig. Es bestehe keine Ansteckungsgefahr. Trotzdem bittet Lübeck seine Mitarbeiter: „Wenn ihr was merkt und jemand den Kopf unterm Flügel hat, sagt Bescheid. So wie immer.“
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