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Potsdam-Mittelmark: Fairer Kompromiss gesucht
Stahnsdorfer Forderung im Altanschließer-Streit: Alle Vollstreckungen sollen zunächst ausgesetzt werden
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Stahnsdorf - Praktisch fünf Minuten vor Zwölf gehen die Stahnsdorfer Gemeindevertreter auf die Suche nach einem „fairen Kompromiss“ im Altanschließerstreit. Bereits im Mai 2009 war auf Landesebene entschieden worden, dass auch Grundstückseigentümer, die schon vor der Wende an das Netz angeschlossen wurden, an den nach 1990 erfolgten Investitionen in die Wasser- und Abwasseranlagen beteiligt werden müssen. Es folgte ein Sturm der Entrüstung – Stahnsdorf erreichte er mit voller Kraft erst Anfang 2012, nachdem der Zweckverband etwa 330 Bescheide an Altanschließer verschickt hatte. Im Schnitt rechnet man in Brandenburg mit Altanschließerbeiträgen in einer durchschnittlichen Höhe von 3000 Euro – auch in Stahnsdorf erreicht die Summe bei vielen Grundstücken jedoch den fünfstelligen Bereich.
Am Donnerstagabend haben die Stahnsdorfer Gemeindevertreter einstimmig gefordert, erst einmal die Notbremse zu ziehen. Auf Vorschlag der SPD wurden alle betroffenen Grundstücksbesitzer des Ortes aufgefordert, zur Wahrung ihrer Rechte gegen die Beitragsbescheide des Zweckverbandes „Der Teltow“ (WAZV) Widerspruch einzulegen – auch dann, wenn die Widerspruchsfrist bereits abgelaufen ist. Der Vorstand der Verbandsversammlung wurde aufgefordert, alle Vollstreckungen bis auf Weiteres zu unterlassen und damit eine sogenannte „Friedenspflicht“ einzugehen. So soll dem Vorstand Zeit gegeben werden, um Vorschläge zu unterbreiten, „wie die Altanschließer-Problematik sachgerecht gelöst werden kann“. Eine Differenzierung der Gebühren oder Zahlungsvereinbarungen über mehrere Jahre zur Vermeidung unbilliger Härten nannte SPD-Vertreter Dietmar Otto bei der Einbringung des Vorschlags als mögliche Beispiele.
Der Vorstand wird zudem aufgefordert, kurzfristig zu einer Informationsveranstaltung einzuladen und dort entsprechende Vorschläge für einen fairen Kompromiss zu unterbreiten. Alle Empfänger von Beitragsbescheiden für Altanschließer sollen über die Maßnahmen umgehend unterrichtet werden. Vorsitzender der Verbandsvorstandes ist der Kleinmachnower Bürgermeister Wolfgang Grubert (SPD) – für die nächste Woche ist eine Sondersitzung geplant.
Auf der Stahnsdorfer Gemeindevertretersitzung am Donnerstag geriet vor allem Bürgermeister Bernd Albers (Bürger für Bürger) in die Kritik. Er gehört ebenso wie seine Amtskollegen aus Teltow und Kleinmachnow zu den insgesamt sechs stimmberechtigten Mitgliedern des Vorstandes. An vielen Sitzungen des Abwasserzweckverbandes habe er jedoch nicht teilgenommen, erklärte Peter Weiß (CDU). Weiß ist Vorsitzender der Verbandsversammlung und damit ebenfalls in herausgehobener Verantwortung. Aktivitäten zur Lösung des Problems habe Albers nicht unternommen, sagte er. Auch SPD-Vertreter Otto erklärte: „Der Bürgermeister hätte sich kümmern müssen. Das Innenministerium gibt seit mehreren Jahren Hinweise zum Umgang mit der Altanschließerproblematik, insbesondere zu vorhandenen Entscheidungsspielräumen. Diese hätte er in die Beratungen des WAZV bereits im letzten Jahr einbringen müssen.“
Albers wies die Vorwürfe zurück. Auch auf seine Veranlassung hin prüfe der Verband weiterhin die Möglichkeit von differenzierten Anschlussbeiträgen. Es sei jedoch äußerst schwierig, eine rechtssichere Lösung zu finden. Auch die Möglichkeit einer Privatisierung des Wasser- und Abwasserbereichs sei geprüft und wieder verworfen worden.
Wie berichtet, will Albers gegen die Altanschließer-Veranlagung kommunaler Grundstücke klagen. Das wiederum können die SPD-Vertreter nicht nachvollziehen. Eine Bürgermeisterklage der Gemeinde gegen die vom Bürgermeister mitbeschlossene Entscheidung im WAZV koste nur Anwalts- und Gerichtsgebühren“, erklärte Otto. „Wenn der Bürgermeister seine Entscheidung im WAZV für rechtswidrig hält, dann muss er sie genau dort zurücknehmen“, so Otto. Er befinde sich quasi per Gesetz in einem Widerspruch, rechtfertigte sich Albers. Im Verband sei er verpflichtet, die Anweisungen der Aufsichtsbehörde umzusetzen, als Bürgermeister hat er das Vermögen der Gemeinde zu schützen. Zudem könne die Verfassungswidrigkeit des Altanschließer-Gesetzes nur auf dem Rechtsweg festgestellt werden.
Das Landesverfassungsgericht ist indes bereits mit dieser Thematik befasst. Untersucht wird unter anderem, ob es sich um einen Eingriff in das Eigentumsrecht handelt oder die Regelung möglicherweise den Vertrauensschutz verletzt. Zu prüfen ist schließlich auch, ob eine mögliche Verjährung der Forderungen unzulässig aufgehoben wurden.
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