
© Andreas Klaer
Potsdam-Mittelmark: Fällen bis die Frösche quaken
In der DDR hätten Pläne für einen Kultur- und Freizeitpark das Bäketal fast zerstört. Jetzt sollen Sense und Kettensäge der Flora und Fauna des Landschaftsschutzgebietes nach vorn helfen
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Teltow - Brummend frisst sich die Kettensäge ins Holz, nölt kurz und verstummt. „Achtung!“, ruft Thomas Schoknecht durchs Bäketal und tritt schnell zur Seite, während zwei Männer gegenüber am Seil ziehen. In den Erlenwipfeln raschelt es, dann knacken Äste und mit einem dumpfen Schlag landet der junge Baum auf dem Boden. Der Biologe trennt den Stamm mit der Kettensäge in transportable Stücke. Die Säge knattert weiter – damit die Frösche wieder quaken.
Fällen für den Naturschutz – das klingt wie ein Widerspruch, ist aber eine Pflegemaßnahme, wie Jörg Dorowski vom Kleinmachnower „Förderverein Landschaftschutzgebiet Buschgraben/Bäketal“ erläutert. Das Laichgewässer an der Bäke bleibt im Frühjahr zu lange kalt, weil die Bäume in Ufernähe wenig Licht durchlassen. So kann sich der Laich von Fröschen und Kröten kaum entwickeln. „Die Population ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen“, sagt Dorowski.
Der Teichmolch sei schon lange nicht mehr gesichtet worden, auch die Knoblauchkröte nicht, die in Deutschland zu den gefährdeten Arten gehört. Außerdem belaste das Laub die Wasserqualität und der Teich verlande zunehmend, berichtet Dorowski.
Der erst vor rund 25 Jahren angelegte Teich wurde in den letzten 15 Jahren von Weiden und Erlen geradezu umzingelt, einige siedelten sich sogar im Teich an. Die Naturschutzbehörde genehmigte daher kürzlich die Fällmaßnahmen. Vorerst wird nur am Westufer Gehölz entfernt, um neben mehr Licht für mehr Belüftung zu sorgen, und Jörg Dorowski hofft: „Der Wind wird auch die Entengrütze wegblasen.“ Die grünen Wasserlinsen bedeckten in den letzten Sommern den gesamten Teich, was den Sauerstoffaustausch erheblich behinderte. Rings um das Kleingewässer haben Wildschweine auf der Suche nach Futter den Boden umgegraben, dazwischen Spuren von Rehen.
Große Flächen des Bäketales, in dem früher Orchideen blühten, wurden durch den Aushub am Machnower See Ende der 70er-Jahre regelrecht zugeschüttet. Auf diesem Spülfeld sollte seinerzeit der „Kultur- und Freizeitpark Bäketal“ entstehen – zur Erholung der Werktätigen und als Gegenpart für das umliegende Industriegebiet.
Die erste Bewährungsprobe auf dem „Spülfeld“ war für den 1. Mai 1985 geplant. Doch bei strömendem Regen fiel die Großdemonstration buchstäblich ins Wasser, die Leute auf der Wiese versanken knöcheltief im Matsch. In den Jahren darauf eroberte sich die Natur vieles zurück, auch seltene Pflanzenarten wurden wieder heimisch, wie Fieberklee, Wiesenschaumkraut und Sumpfdotterblume.
Einst weidete das Vieh der Familie von Hake auf einigen Wiesen am Rande der Bäke, später pflegten Lehrlinge der Kleinmachnower Wasserbauschule die Wiesen. Nach der Wende übernahm das der Förderverein Buschgraben/Bäketal und mäht seither zweimal jährlich mit der Sense die Wiese hinterm Teich. Ob die alte Blütenpracht zurückkehrt, ist ungewiss, aber es gibt positive Anzeichen. So haben sich die Kuckuckslichtnelke und das Wollgras wieder angesiedelt und im Frühling zeigt sich vielleicht auch wieder das Knabenkraut.
Von der Bäke, die vor dem Bau des Teltowkanals die Landschaft prägte, sind heute nur noch ein paar verlandete Altarme übrig, die Rinnsalen gleichen. An manchen Stellen genügt heute ein Schritt, um die Bäke zu überqueren. Vor 12 000 Jahren muss es ein mächtiger Fluss gewesen sein, der nach der Gletscherschmelze das Gebiet durchströmte und eine Rinne ausspülte, die die Landschaft modellierte.
So prägte die Bäke nicht nur das Land, sondern wurde auch Teil der Geschichte ihrer Bewohner. Schon Jäger der Steinzeit jagten hier und die Funde von zahlreichen Auerochsenschädeln, Hirsch- und Elchgeweihen in den Kalk- und Torfablagerungen belegen, dass die Wälder ringsum wildreich waren. Auch das Rad der nahegelegenen Wassermühle wurde einst mit Wasserkraft betrieben.
Vor mehr als hundert Jahren schlängelte sich die Bäke noch vom Fichteberg in Berlin-Steglitz, nahe dem heutigen Botanischen Garten, durch ein 250 Meter breites Tal bis in den Griebnitzsee und verband den einstigen Teltower mit dem Schönower See. So romantisch das Traumbild von der Seenlandschaft heute anmuten mag, es darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Anwohner einst ihre Abwässer in den Fluss leiteten und die Bäke stellenweise zum Hinkel stank. Erst eine polizeiliche Verordnung sorgte 1871 dafür, dass das Fließ zweimal im Jahr geräumt werden musste, um den schnellen Abfluss zur Havel zu sichern.
Heute sind die Feuchtwiesen für Rohrammer, Schwarzspecht und andere seltene Vogelarten eine Oase. Auch der Eisvogel ist im Bäketal zu Hause und für ihn lässt Thomas Schoknecht extra einen Strauch als Ansitzwarte am Teichufer stehen. „Achtung“, hallt es abermals durchs Tal. Zuvor hat Schoknecht noch einen Keil in den Stamm gehauen. Er musste den Baum gegen seine natürliche Fallrichtung fällen, weil er sonst im Teich gelandet wäre – in dem bald wieder Knoblauchkröten und Teichmolche zu Hause sein sollen.
Kirsten Graulich
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