
© G. Paul
KulTOUR: Farbe statt Feinde
Das Werderaner Lendelhaus zeigt das Ergebnis eines deutsch-französischen Kunstprojekts
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Natürlich malt in kriegerischen Zeiten niemand seine schwer befestigten Bunker poppig bunt an. Aber später? Lange standen die Überreste des „Atlantikwalls“, einer deutschen Befestigungslinie im Zweiten Weltkrieg, an den Stränden der Nordsee herum, bis jemand auf die Idee kam, irgendwie „Kunst“ daraus zu machen.
In Belgien und in den Niederlanden waren solche Versuche längst geschehen, als der Magdeburger Bühnenbildner und Kunstmaler Eberhard Matthies auf die Idee kam, deutsche Bunker des Zweiten Weltkrieges ausgerechnet dort zu Farb- oder Kunstwerken zu machen, wo die Alliierten von der Insel aufs Festland setzten – in der Normandie. Natürlich war da vieles zu organisieren, denn wem gehörten diese kriegerischen Monstren heute, und konnte man da so einfach ... ? Natürlich nicht, ohne die Einwilligung der heutigen Besitzer (wem das Land gehört, der hat auch den Bunker) und der regionalen Behörde von Néville-sur-Mer war da ab 2011 gar nichts zu machen. Ohne die tatkräftige Hilfe deutscher und französischer Gymnasiasten auch nicht, immerhin teilte man dem Projekt gleich sechs „Kasematten“ zu. Allerdings waren die Eigentümer per Gemeindebeschluss nicht gewillt, sich ihre hartbetonene Liegenschaft mit Acrylfarbe „beschmieren“ zu lassen. Also stieg man auf Spannrahmen um, vor den Echtwänden zu installieren. Das Projekt mit dem Titel „Farb- statt Feindbilder“ war und ist der Völkerverständigung und der deutsch-französischen Freundschaft geweiht.
Wie man sich den ganzen Prozess und seine Ergebnisse vorzustellen hat, kann man seit dem Wochenende im Werderaner Lendelhaus auf dem Inselmarkt anschauen. Hier ist der Kunstverein „Goldrotschwartz German Arthouse“ nach seinem Intermezzo im Potsdamer Sans titre jetzt heimisch geworden; eine neue Galerie für die Stadt also. Schon von außen werben großformatige Bilder dieser Serie, welche allesamt mit reinen und wetterfesten Farben erschaffen wurden. Die französischen und die Magdeburger Gymnasiasten bekamen je zwei Bunker zugeteilt, den Rest erledigte der Meister selbst.
Anhand von Informationstafeln, Fotos, den in Grautönen gehaltenen Entwürfen und der Originale schließlich kann man den Arbeitsprozess gut verfolgen – und sich seine Teile denken. Auch eine kleine Videoschau im ehemaligen Schankraum gehört dazu. Konzeptionell ist alles dabei, von dekorativ-poppigen Streifenmustern am klotzigen Objekt über mehr oder weniger „naturnahe“ Bearbeitungen bis zum expressiven Kunstbild der anspruchsvollen Art. Man sieht: Selbst aus dem Hässlichsten lässt sich eben noch was Schönes machen.
Eberhard Matthies ließ den Schülern beim Finden der Farbentwürfe alle Freiheit, er achtete lediglich darauf, „dass nicht Folklore entsteht“. Eines der Bilder zeigt die im Meer oder im Dünensand „untergehende deutsche Fahne“, allerdings nicht die schwarz-weiß-rote, sondern die schwarz-rot-gelbe.
Achttausend dieser Bunker gab es im Ganzen, Christo hätte sie wahrscheinlich alle genommen und verhüllt. Der 40-köpfigen Jugendgruppe aber wurde nur die Landseite der sechs Bunker genehmigt, angeblich um die Schiffe durch Zeichen nicht zu verwirren. Entstanden ist trotzdem etwas sehr sehenswertes. Ein Besuch lohnt sich schon deshalb, weil Entwürfe und Teile dieses Gesamtkunstwerks zwar schon in der Normandie und in Magdeburg zu sehen waren. Die Gesamtschau indes blieb Werder vorbehalten – das Original mit einer ungewöhnlich weiten Assoziationsspanne. Die reicht von Geschichte und Politik bis hin zur freien Fantasie – wo manches Bild am besten aufgehoben ist. Weg von der Wirklichkeit also, wie Künstler es tun.Gerold Paul
Die Ausstellung im Werderaner Lendelhaus ist noch bis zum 12. Juli, jeweils donnerstags von 17 bis 19 Uhr, samstags und sonntags von 15 bis 18 Uhr, zu sehen
Gerold Paul
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