
© Manfred Thomas
KulTOUR: Fast bis auf die Haut
Im Schloss Caputh wurden am Samstag „weibliche Untergewänder im 17. und 18. Jahrhundert“ vorgestellt
Stand:
Von Gerold Paul
Schwielowsee - Was man anno dazumal „darunter“ trug, interessiert Männlein und Weiblein auch heute noch gleichermaßen. Jedenfalls war der Vortragsraum im Seitenflügel von Schloss Caputh am Sonnabend proppevoll, als die Kunst- und Kostüm-Historikerin Marita Müller „weibliche Untergewänder im 17. und 18. Jahrhundert“ vorstellte. Sie war mehr für das Theoretische zuständig, den praktischen Teil, die Entblätterung einer barocken Hofdame bis auf das Hemd, ließ Petra Hergl an sich zu, vorsichtshalber mit einem Handfächer, um die Röte des Gesichtes schamhaft zu verstecken.
Es war die Zeit, als der Dreißigjährige Krieg zu Ende gehen sollte. Spanien beherrschte Europas Mode, man trug zweiteilige Glocken- oder Kegelkleider, oben fast platt, stark tailliert, unten faltig, weit und sperrig. Reifröcke, mit „Walfischbein“ in Form gebracht, konnten geradezu groteske Maße annehmen.
Oben waren Seide, Samt, Perlen und Rüschen, Gezier und Gestick, doch was war darunter? Wäsche, massig Wäsche. So trug die Dame bei Hofe um 1700 bis zu acht oder zwölf Unterkleider als Kälteschutz, dafür kein Höschen. Die innersten Schichten waren das Chemisett und ein „Hemdchen“, blickdicht, und auch als Nachthemd zu tragen.
Wenn die Monatszeit kam, legte man sich einen Gürtel an, innen mit Stoffen zu stopfen. Bequem war die herrschaftliche Mode von damals eigentlich nie. Das Ankleiden, ohne Hilfe unmöglich, geschah sozusagen von unten nach oben und von innen nach außen, denn mit gereiften Röcken konnte man sich weder das Strumpfband überm Knie fein binden, noch die Schuhe anziehen.
Wichtigstes Teil war das Mieder, mehr zum Schnüren als mit Ösen zu knöpfen, mal hinten, mal vorne zu schließen, mal zum Zeigen, mal zum Bedecken. Es gab natürlich verschiedene Größen, trotzdem herrschte es über das Fleisch. Was zu viel war, wurde in die fischbeinverstärkte Corsage gepresst. „Die hatten folglich ganz andere Muskeln, eine andere Atemtechnik als wir. Nur bei den Soubretten wurde lockerer geschnürt“, verriet die Referentin, selbst in ein langes Goldnes gehüllt. Ordentlich verschnürt, hielt es die ganze Kleidung am Leib: „da konnte nichts runterfallen“.
Oben also alles möglichst platt, von der Hüfte abwärts wurde es dann dicker. Man legte einen gepolsterten Hüftgürtel um, völlig rechtens „Weiberspeck“ genannt, zuvor wurde auch das Hintere mit viel Stoffen betont. Die Hüfte selbst „rutschte“ mal höher, mal tiefer, Mode eben. Mit dem Sitzen war es da immer beschwerlich. Nur ganz vorn auf der Stuhlkante war Platz genug „für alles“. Mehr zurückgelehnt, drängte das ganze Untergestell nach vorn und machte das arme Wesen so zu einem gepluderten, gepuderten Monstrum. Auch sonst war diese kulturhistorische Stunde höchst lehrreich. Man erfuhr, dass Jungen bis zum sechsten Jahr wie Mädchen gekleidet wurden, Mieder inbegriffen. Noch erwachsen trug man die gleichen Strümpfe.
Für das kleine Geschäft der Hofdamen stand eine Dienerin bereit, mit einem „flachen Schieber“. Roch das allzu streng, wurde einfach „überparfümiert“. Oder man schlug sich in die Hecken. Und da man beim Empfang am Hofe stundenlang stehen musste, waren auch die Blasen der Schönen auf Ausdauer trainiert.
Ganz schön was dran, ganz schön was drunter, bei den „Barocken“. Da prickelte nix am Samstagnachmittag. Wichtigste Botschaft: Die Damen wurden sozusagen eingezwängt – und ließen sich schnüren. Das ist heute natürlich vollkommen anders ...
Gerold Paul
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