
© Thomas Lähns
Potsdam-Mittelmark: Feierabend auf der Insel
In Werders Altstadt ist eine ganze Häuserzeile neu entstanden. Damit ist die letzte Baulücke geschlossen
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Werder (Havel) - Nein, von der Insel hätte sie niemand herunterbekommen, sagt Anni Jantke. Seit 60 Jahren wohnt sie in der Werderaner Altstadt. Hier hat sie ihren Mann Fritz kennengelernt, hier mit ihm den Großteil ihres Leben verbracht. Wenn die beiden mal umziehen mussten, dann immer nur zwischen Havel und Föhse, weiter wollten sie nie. So war es auch dieses Mal: Nachdem sie ihre letzte Mietwohnung wegen Sanierungsarbeiten aufgeben mussten, konnten sie eines der neuen Appartements am Markt ergattern. Ein Glücksfall, denn der Bedarf an günstigen Mietwohnungen kann in der Blütenstadt kaum noch gedeckt werden.
Für 1,5 Millionen Euro hat die städtische Wohnungsgenossenschaft HGW die letzte Baulücke auf der Insel mit drei neuen Häusern geschlossen. Direkt nebenan hat die Betreiberin des Hotels „Prinz Heinrich“, Annette Gast, privat drei weitere Häuser errichten lassen. Die sechs Eigentumswohnungen und ein komplettes Einfamilienhaus seien schon seit Februar verkauft, erklärte sie gestern. Innerhalb der vergangenen anderthalb Jahre ist so eine komplette Häuserzeile auf der nördlichen Marktseite neu entstanden. Von den 17 Wohnungen, welche die HGW gebaut hat, sind nur noch zwei frei, so Geschäftsführer Thomas Lück. Der Mietpreis: Acht Euro pro Quadratmeter. Auch für die beiden Läden im Erdgeschoss gebe es bereits Betreiber: Einen Feinkostladen und ein Geschäft für Kinderbekleidung. Das zeigt, wer hier vor allem ein Zuhause gefunden hat: Junge Familien. „Werder ist in dieser Altersgruppe sehr beliebt“, weiß auch der Vorstandschef der HGW, Stadtverordneter Christian Große (CDU). „Bei Wohnungen zwischen 50 und 72 Quadratmeter ist die Nachfrage riesig.“ 150 Leute würden auf den Wartelisten stehen. „Da sind alle Vermieter gefordert, nicht nur die Genossenschaften“, meint Große.
Die städtische Wohnungsgesellschaft reagiert auf den Bedarf: Nachdem der Markt jetzt rund ist, soll der Bau von Mehrfamilienhäusern auf der Jugendhöhe in Angriff genommen werden. Hier könnten noch einmal 30 bis 55 Wohnungen entstehen, kündigt Große an. „Es war damals die richtige Entscheidung, die HGW zu stärken“, unterstreicht sein Vater, Bürgermeister Werner Große (CDU). Die Stadt hatte in der Vergangenheit immer wieder Grundstücke in das Vermögen der Gesellschaft eingebracht und so für genug Kapital gesorgt, um die Projekte zu stemmen.
„Die Insel ist jetzt ausgereift“, bilanzierte der Bürgermeister, als er gestern Familie Jantke offiziell in ihrem neuen Domizil begrüßte. Mehr als 20 Jahre nach der Wende sind die Baulücken geschlossen, die Straßen saniert und die Gebäude fast alle instand gesetzt worden. „Es ist eine ganz schöne Veränderung“, sagt auch Anni Jantke, die den Wandel ihres Kiezes unmittelbar miterlebt hat. Zu DDR-Zeiten hatten sie und ihr Mann direkt neben dem alten Busdepot gewohnt, das Mitte der 1990er Jahre abgerissen wurde. Dass hier mal neue Häuser stehen würden, hätten sie damals nicht gedacht. Dass sie mal darin wohnen werden, wohl auch nicht.
Jantkes haben sich längst eingelebt in ihrer neuen Zwei-Zimmer-Wohnung. Alles ist barrierefrei, die Ausstattung ist hochwertig. Und die amerikanische Küche störe sie überhaupt nicht – im Gegenteil: „Den Tresen hat unser Sohn gebaut“, berichtet Fritz Jantke stolz. Die Zeiten ändern sich, bemerkt er schulterzuckend. Nur eines ist für Jantkes geblieben: Der Reiz des Insellebens. Thomas Lähns
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