KulTOUR: Hommage an Ringelnatz in der Kähnsdorfer Kulturscheune: Feuer und Flamme dem Leben
Die Kähnsdorfer Kulturscheune zeigte eine Hommage an Joachim Ringelnatz. Und es gab noch mehr, das das Publikum erwärmte.
Stand:
Seddiner See - Raubvogelgesicht mit entsetzlich langer Nase, von Natur aus eher schwach, und trotzdem voller Lebenskraft, ein gewaltiger Fahrensmann und Trinker ist dieser Hans Bötticher aus Wurzen gewesen, und ein echter Dichter dazu. 1883 im Sächsischen geboren, 1934 todkrank in Berlin gestorben, da lagen maximal bewegte Jahre dazwischen. Es schien, als wollte er das Leben selber prüfen, in den grenzenlosen Höhen der Poesie, in den Daseinstiefen, mit Liebe und Versen, und meist ohne Geld. Keiner je war wie Hans Bötticher, seit 1919 unter dem Pseudonym Joachim Ringelnatz bekannt, der spacke Matrose in Übersee, Dichter, Artist, ein echter Maler, aber falscher Kalif, und was er sonst alles war, oder vorgab zu sein in mehr als einem Dutzend gemeldeter, doch nicht immer wahrer Berufe.
Feuer und Flamme dem Leben! – was nur sollte besser zum diesjährigen Museumstag in Potsdam-Mittelmark passen als eine gepflegte Hommage auf diesen Mann, den alle zitieren. Ort des Geschehens: die Kulturscheune in Kähnsdorf im 14. Jahr ihres Seins, wo derzeit noch das Werk der Fichtenwalder Künstlerin Beate Berlin zu sehen ist. Das Kalliope-Team mit Gisela M. Gulu (Programm, Moderation), Lusako Karonga (Rezitation) und Armin Baptist (E-Piano) verpackten Lyrik, Songs und Anekdoten dieses Lebens-, ja Überlebenskünstlers in ein literarisch-musikalisches Programm, zu dem auch Kuttel Daddeldu geladen war. Ein Ding wie aus dem Lehrbuch. Knüppeldicke voll war’s, die Leute kennen ihre Helden. Zur Pause gab es unter weißen Sonnenschirmen alle Köstlichkeiten dieser Welt, von Würstchen und Suppe über fein belegtes Brot bis zum selbst gemachten Kuchen. Ein liebevolles Donum für Ringelnatz (in der Matrosensprache für „Seepferdchen“) und zugleich auch eines für die Flamme der Museen.
Das war aber längst noch nicht alles in und für Kähnsdorf am See, denn die Kulturträger und Kulturbringer vor Ort hatten ja den Schulterschluss vereinbart. Und so ging das Ereignis beim Aufgang eines großen Mondes unterm Herbstbunt-Laub bis in den Abend hinein. Zuerst blies und trommelte der traditionsreiche Spielmannszug aus Neuseddin zum Sammeln, um die Dorfstraße hinab mit Flöten, Trommeln und Schellen zum Findlingsgarten zu ziehen. Wer mit dem Auto kam, hatte beinahe Not mit dem Parkplatz, so viel Besuch war gekommen. Ein prachtvolles Feuer wärmte Fronten und Rücken, auch hier für Speise und Trinken gesorgt, zu höchst moderaten Preisen übrigens. Der ganze vordere Teil dieses Schaugartens zur Eiszeit-Theorie war mit Fackeln markiert, der Blick auf die große Skulpturensammlung aus dem Hause Ruhnke gab es dazu, alles sehr eindrucksvoll. Weniger toll, als man hörte, dass der „Spendenstein“ mal wieder aufgebrochen wurde, wenige Euro als Preis für solchen Vandalismus!
Nun, auch den folgenden Programmpunkten dürfte das große Feuer, was ja „Leben“ bedeutet, wohlgetan haben, der Dame mit dem Bauchtanz, ganz aktuell in diesen Tagen, einer Feuershow aus Borkheide, dem Auftritt der „Samba-Fiber-Band“ aus Fichtenwalde samt Percussioneinlage. Alles mit Sorgfalt und Liebe gemacht. Und alles mit dem Lebens- und Feuerstoff von ganz nah, alles wie „Heimat“. Gerold Paul
Gerold Paul
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