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Potsdam-Mittelmark: Fichten, die Kiefern waren

Fichtenwalde wird 100 Jahre alt – die Festwoche zum Ortsjubiläum ist prall gefüllt, der neue Marktplatz fast fertig

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Beelitz - Der letzte Strich unter die Ortschronik ist getan, die Vereine proben nochmal für die Programmpunkte und am Marktplatz wird letzte Hand angelegt. Fichtenwalde bereitet sich auf sein hundertstes Ortsjubiläum vor: Ab dem 28. Juni wird eine Woche lang gefeiert, mit kulturellen, kulinarischen und sportlichen Höhepunkten. Die Feuerwehr, der Jugendklub und die Schule öffnen ihre Türen – und so mancher Fichtenwalder bekommt die Gelegenheit, seinen Ort völlig neu für sich zu entdecken. Viele Veranstaltungen werden sich auf dem neuen Platz am Hans-Grade-Haus abspielen, so die Sommernacht mit dem Potsdamer Kabarett Obelisk (4. Juli) oder das große Markttreiben (5. Juli).

Die Pflasterarbeiten auf dem Gelände sind bereits abgeschlossen, berichtet Ortsbürgermeister Tilo Köhn. 90 000 Euro hat die Stadt Beelitz dafür bereitgestellt. Doch obwohl die Baustoffe zu großen Teilen aus „Beelitzer Recycling“ kommen – das Natursteinpflaster lag einst in der Berliner Straße und die Granitsteine waren schon mal in Fichtenwalde verbaut – hat die Summe nicht ganz gereicht. So haben Ortsbeirat und Bürgermeister für die Errichtung eines Wasserspiels und einiger Bänke auf Spenden der Bürger und der örtlichen Wirtschaft gesetzt.

Über 13 000 Euro sind bislang zusammen gekommen – laut Köhn ein hervorragendes Beispiel für die enge Bindung der Bürger an den Ort. Offenbar braucht es nicht lange, sich hier heimisch zu fühlen, denn nach wie vor lebt die Waldgemeinde vom Zuzug. 2800 Bürger gibt es mittlerweile, die 3000er-Marke will man in den nächsten zwei Jahren knacken – Baugrundstücke gibt es genug, auch im Ortskern. Ein Viertel der Neu-Fichtenwalder kommt aus den Alten Ländern, die Hälfte aus Berlin und Potsdam – das hat hier eine lange Tradition.

1908 hatte der Grundstücksmakler Wilhelm Sherhag begonnen, kleine Parzellen in der Nähe der Wetzlarer Eisenbahn, mitten im Wald, an Berliner zu verkaufen. Damals zog es die Städter noch aufgrund der schlechten Wohnverhältnisse in den Arbeitervierteln der Hauptstadt „hinaus in die Fichten“, denn dafür hielten sie die hiesigen Kiefern. Die Geschichte hat Ortschronistin Eva Griebel aufgearbeitet und in einem 250 Seiten starken, bunt bebilderten Buch zusammengefasst. Die Veröffentlichung der Ortschronik ist ein weiterer Höhepunkt während der Festwoche – mit einer Lesung im Hans-Grade-Haus (30. Juni).

Seit mittlerweile zehn Jahren ist Griebel für die Geschichtsschreibung im Ort zuständig, wurde für ihre Arbeit bereits mit der Ehrennadel ausgezeichnet. Ordnerweise hat sie Dokumente gesammelt, Fotos ausfindig gemacht, war in die Archive gegangen. „Hundert weitere Seiten hätten sich füllen lassen“, berichtet sie.

Das „Fichtenwalder Jahrhundert“ erlebte seinen ersten Höhepunkt Anfang der 30er Jahre, als Telefon, Wasser und Strom verlegt wurden. Auch der Name „Fichtenwalde“ wurde vom Innenministerium anerkannt – doch erst 20 Jahre später wurde die Gemeinde selbstständig. Bis dahin gehörte sie zum Nachbarort Klaistow.

Das Kriegsende hatte viele Vertriebene aus den ehemaligen Ostgebieten in die Waldgemeinde gebracht, die meisten Wochenendhäuser wurden so zu Dauerwohnsitzen. Kurz vorm Mauerbau gab es wieder eine größere Abwanderung, die leerstehenden Gebäude füllten sich in den Folgejahren wieder, diesmal mit Leuten aus dem Raum Halle/Leipzig. So gibt es auch heute eher wenige „Ureinwohner“.

Vom Wochenendurlauber zum Bürger – das ist eine der Konstanten in den vergangenen hundert Jahren. Eine weitere sind die Vereine, die immer wieder eine treibende Kraft bei der Integration von Zuzüglern gewesen sind. In der Festwoche stehen auch sie im Mittelpunkt. Der älteste ist der Anglerverein, den gibt es hier schon seit 1959, gefolgt von der Sportgemeinschaft, die im kommenden Jahr 40 wird. Seit 1995 sorgt der Förderverein der Feuerwehr immer wieder für Staunen im Ort, denn über die Jahre konnte er über 100 000 Euro unter anderem aus Spenden für die Kameraden aufbringen.

Ortsbürgermeister Tilo Köhn betrachtet die Jubiläumswoche als eine große Chance, das Wir-Gefühl zu stärken. Die Liebe zum Ort geht dabei sogar durch den Magen: Zum Geburtstag haben die Bürger ein Kochbuch mit ihren Lieblingsrezepten zusammengestellt. Das Besondere: Aus fast jedem Jahrgang seit 1908 hat jeweils ein Fichtenwalder sein Leibgericht und manchmal seine Geschichte dazu aufgeschrieben – zum Teil stammen diese auch aus Nachlässen. Köhn selbst hat das Rezept für seinen Vogtländischen Weihnachtsstollen beigesteuert.

Festprogramm im Internet unter:

www.fichtenwalde.de

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