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Potsdam-Mittelmark: Fontane bei Boßdorf

Der Caputher Heimatverein hat erkundet, wo der märkische Wanderer am Schwielowsee Station machte

Der Caputher Heimatverein hat erkundet, wo der märkische Wanderer am Schwielowsee Station machte Von Josef Drabek Schwielowsee · Caputh - Irgendwann im Sommer 1869 war Fontane in Caputh. Wo er genau abstieg, ist eine Frage, die Heimatforscher lange beschäftigte. Heinz Schmal vom Caputher Heimatverein hat sich zur Vorbereitung einer am Sonntag startenden Ausstellung auf die Spuren des „Wanderers durch die Mark“ begeben – und wohl eine Antwort gefunden. Alles weist auf die Weinbergstraße 11, wenige Meter von der Fähre entfernt. Ende Juni hatte Fontane seine Wanderungen mit Garnisonschullehrer Wagener wieder aufgenommen, bis Anfang August waren der „Schwielow-See und seine Dörfer“ die Ziele. Als Ergebnis entstand eine Zeitungs-Aufsatzreihe mit dem Titel „Der Schwielow und seine Umgebungen“, die 1872 in den „Wanderungen“ erschien. Fontanes zwölf Jahre jüngerer, ortskundiger Begleiter Heinrich Wagener war Lehrer an der Potsdamer Elementarschule in der Waisenstraße. Der meist „unser Erzähler“ Genannte bereicherte durch „Unterwegs-Gespräche“ die Kapitel. Vom Fährhaus begann eine erlebnisreiche Segelfahrt über den Schwielowsee, die nach Sonnenuntergang endete. Die späte Stunde stellte beide vor die Alternative, den letzten Zug zu verpassen oder im Ort zu übernachten. Fontanes Bedenken hinsichtlich eines Nachtquartiers zerstreute sein Wandergefährte mit dem Hinweis auf eine Herberge von Boßdorf: „Er hat das beste Bier und die besten Betten.“ Für die Unterkunft sprach auch die Nähe zur Fährstelle, so dass Fontane schnell in den Genuss jener Annehmlichkeiten gelangte. Anfang des 19. Jahrhunderts war ein Boßdorf als Amtsbraumeister in den Ort gekommen, wo er das Areal in der Weinbergstraße kaufte, eine Brauerei und eine Gaststätte in der Nummer 11 gründete, wie Heinz Schmal recherchierte. Bier und Rede seines aus Berlin stammenden Nachfahren Heinrich Boßdorf lullten Fontane in den Schlaf. Das Relief am rückwärtigen Giebel, eine Frau mit Trinkkrug, könnte bereits vorhanden gewesen sein – ein deutlicher Hinweis auf eine Schankwirtschaft. Heute ist es ein Wohnhaus. An der Hausfront steht eine Linde, ob es der von Fontane erwähnte Frühstücksbaum oder ein Austrieb ist, sollte durch Schmal noch festzustellen sein. Den Staketenzaun gibt es nicht mehr, hinter dem Fontane das still-geschäftige Dorfleben und „eine animierte Gesellschaft“ betrachtete, deren Kremser „im nächsten Augenblicke ... in einer Querstraße des Dorfes“ verschwand. Das müsste die heutige Straße der Einheit gewesen sein, deren Einmündung von der Weinbergstraße einsehbar ist. Am Vormittag schlenderten beide durch „eines der größten Dörfer der Mark“, dessen Entwicklung aus Landarmut und Fischereibeschränkung seiner Bewohner resultierte. Die Männer wurden Schiffer, die Frauen machten mit Gartenbau den Werderschen Konkurrenz. Es entstanden Werften, Ziegeleien und Gärtnereien, deren Produkte in die Hauptstadt und sogar nach Hamburg gingen. Der Ort mutierte zum Hafen, Ziegelzentrum, Handels- und Festplatz. Fontane fühlte sich an eine Miniatur der Metropole am Südwestufer des Michigansees erinnert. Der durch Fontane angebrachte Vergleich „Caputh – das Chicago des Schwielow-Sees“ ist ein Kompliment an Elan und Mentalität der Caputher. Die Besucher waren „eine anmutige Vormittagsstunde“ unterwegs, hatten „das Dorf nach Norden hin passiert und hielten ... an einer Havelstelle, von wo aus (sie) ... auf das Herrenhaus sehen konnten“. Allein dies spricht dagegen, dass Fontanes Domizil das Lindemannsche Lokal (die spätere Havelklause) in der Weberstraße gewesen sei, wie auch diskutiert wurde. Eine ehemalige Herberge an der Ziegelscheune kann ebenfalls ausgeschlossen werden, da der Weg auch von dort in östlicher Richtung verlaufen wäre. Das Herrenhaus (gemeint ist das Schloss) war für Besichtigungen zugänglich. Die gegenüber befindliche, damals 17 Jahre alte Stüler-Kirche haben beide mit Sicherheit betrachtet, aber wie andere neue Gotteshäuser als „uninteressant“ und „Landschaftsdekoration“ abgetan, weil sie keine Geschichte hatte. Die Ausstellung über den Aufenthalt des Schriftstellers wird am 8. Mai um 15 Uhr im Heimathaus, Krughof 28, eröffnet. Unter dem Titel „Fontane am Schwielowsee“ will sie vier Wochen lang samstags und sonntags von 15 bis 18 Uhr den berühmten Besuch veranschaulichen. Anschließend geht sie als Wanderausstellung nach Petzow und Glindow – Orte, die Fontane am Schwielowsee besuchte. Auch beim Caputher Maler Walter Bier sind die neuesten Erkenntnisse schon angelangt: Er fühlte sich zu einem sehr atmosphärischen Bild unter dem Titel „Fontane bei Boßdorf“ angeregt, das bei der Ausstellung auch zu sehen sein wird.

Josef Drabek

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