
© A. Klaer
Ein Tannenverkäufer aus Werder über seine Kunden: Frauen können es besser
Seit 20 Jahren verkauft Hans-Peter Kruse den Werderanern ihre Tannen. Dabei macht er mitunter lustige Beobachtungen und hat eine Theorie, warum Frauen zum Beispiel die Bäume besser aus dem Ständer heben können.
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Werder (Havel) - Vom Einkaufsgebiet um ihn herum sieht Hans-Peter Kruse auf dem Werderaner Strengfeld nichts. Wie im Wald ist es auf dem Platz des 79-Jährigen: Bis zu 250 Nordmanntannen, Blaufichten oder Kiefern des Werderaner Tannenhofes warten auf dem Parkplatz vor dem Aldi-Supermarkt auf Kunden, seit 20 Jahren verkauft Kruse den Werderanern ihre Weihnachtsbäume.
„Bei nasskaltem Wetter kommen die meisten Käufer“, so der Rentner. „Wahrscheinlich kommen bei strahlendem Sonnenschein noch keine Weihnachtsgefühle auf.“ Am Vormittag ist noch wenig los, Kruse kann sich in den kleinen runden DDR-Campingwagen setzen, der von Mitte November bis zum Heiligen Abend quasi sein Büro ist. Von 10 bis 19 Uhr ist der Potsdamer täglich auf dem Platz in Werder, auch am Wochenende – seit 1996. Er hat die Kinder der Stadt aufwachsen sehen, die Erwachsenen kennen ihn seit Jahren. „Wir kaufen schon immer hier, Herr Kruse kann einen einfach gut beraten und holt auch noch verpackte Bäume für einen hervor“, so die Werderanerin Bärbel Krüger.
„Frauen schaffen es wesentlich besser, die Bäume aus dem Ständer zu heben“
Ob sich in den 20 Jahren viel verändert hat beim Baumgeschmack? Eigentlich nicht. Trends gebe es in dem Geschäft, in dem gut 90 Prozent der Kunden eine Nordmanntanne kaufen, nicht. Aber die Menschen sind vorsichtiger geworden. „Die Eltern verbieten ihren Kindern heute oft, die Bäume anzufassen. Die Nadeln könnten ja pieksen.“ Kruse will dann grade, dass die Kleinen die Bäume anfassen, um etwa die Unterschiede zwischen den weichen Nadeln der Weymouthskiefer und dem wehrhaft-starren Grün der Blaufichte zu erleben. Wenn die Kinder dann auch noch helfen, den ausgesuchten Weihnachtsbaum für den Heimweg ins Netz zu bringen, hat er für sie einen kleinen Schoko-Weihnachtsmann parat. In all den Jahren habe der gebürtige Thüringer, der über Bekannte zum Bäumeverkaufen kam, auf dem Platz Sozialstudien anfertigen können.
„Bei vielen Pärchen sind die Männer noch herrisch, gehen selbst auf einen Baum zu und wollen ohne Diskussion den einen haben.“ Es sei dann schön zu beobachten, wie sie versuchen, ihren Baum aus dem Ständer nach vorn zur Kasse zu nehmen – und scheitern. „Frauen schaffen es wesentlich besser, die Bäume aus dem Ständer zu heben.“ Kruses These zufolge liegt das am Bustier: Der Körperbau zwinge die Damen, die Bäume gerade herauszuheben, während Männer sie eher zum Körper hin ziehen und sie sich dadurch im Ständer verkeilen.
Anspruchslos und zufrieden
Warum er eigentlich mit fast 80 Jahren noch den ganzen Tag draußen auf dem Platz steht? „Es fühlt sich gut an, man hat Bewegung und ist unter Menschen.“ So einfach sei das. Kruse ist anspruchslos, für den neunstündigen Arbeitstag reichen ihm etwas Obst, ein paar Brote und eine Thermoskanne Kaffee als Verpflegung. Sein Campingwagen wird nicht beheizt. „Wenn mir kalt wird, fege ich lieber einmal den Platz sauber“, so Kruse. Und wenn mal keine Käufer da sind, wird die Säge aus der Werkzeugbox geholt, um für die Bewohner der nahen Seniorenresidenz Bäume in die Ständer zu bekommen.
Eigentlich wollte Kruse nach der vergangenen Saison aufhören, seine Frau ist an Demenz erkrankt. Doch dann habe ihn wieder die Sehnsucht gepackt. „Es ist einfach schön, die lachenden Augen der Kinder und Eltern zu sehen.“ Seine Frau versorgt er jetzt vor und nach der Arbeit, „in der zweiten Schicht“. Hans-Peter Kruse hat zwar angekündigt, nach dieser Saison nun wirklich aufzuhören. Ob er diesmal dabei bleibt? „Na ja, machen Sie mal ein Fragezeichen dahinter.“
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