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Caputher Musiken: Freund und Leid: Passionskonzert des Meccorre String Quartett

Schwielowsee - Bequemer kann man es wirklich nicht bekommen: einmal gleich um die Ecke zu den „Caputher Musiken“ - und hier das Beste und Frischeste erlebt, was die musikalische Welt derzeit zu bieten hat! Nach der fast übermütigen, jedenfalls höchst produktiven „Soiree beim großen Fritz“ Anfang März nun ein Passionskonzert, welches die tränenrührige Vor-Osterzeit der Protestantischen fast vergessen machte.

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Schwielowsee - Bequemer kann man es wirklich nicht bekommen: einmal gleich um die Ecke zu den „Caputher Musiken“ - und hier das Beste und Frischeste erlebt, was die musikalische Welt derzeit zu bieten hat! Nach der fast übermütigen, jedenfalls höchst produktiven „Soiree beim großen Fritz“ Anfang März nun ein Passionskonzert, welches die tränenrührige Vor-Osterzeit der Protestantischen fast vergessen machte. Klar, wer nach seiner „musikalischen Grundausbildung“ in Polen noch einmal beim weltberühmten Artemis-Quartett der UdK Berlin in die Lehre geht, der hat so etwas drauf. Das bereits meisterhaft spielende junge Meccorre String Quartett nahm sich bei der Fortsetzung der Caputher Musiken sogar die Freiheit, die angekündigten Kompositionen von Haydn, Penderecki und Brahms komplett gegen andere einzutauschen; der Passionsgedanke blieb natürlich bewahrt. Alter und neuer Titel für das kunstvolle Konzert im Caputher Gemeindehaus: „Freund und Leid“.
Zuerst das Streichquartett e-Moll op. 44 Nr. 2 von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Im ellenlangen Kopfsatz lässt der Kompositeur immer wieder hübsche Glissandi mit kraftstrotzenden Motiven alternieren, wobei sich Michal Brylas französische Viola aus dem Jahre 1784 so einige „Seitensprünge“ herausnehmen darf. Über die brillante Technik und das durchgehend sensible Zusammenspiel der jungen Künstler muss man nicht viele Worte machen, eher ob der lobenswerten Absicht, die romantisch-opernhaften Teile dieses Satzes etwas abzudämpfen. Ausdruck und Würde statt Heulsusen-Mentalität. Und eine erfrischend junge Sicht auf die alte Musik: Der ruhelose Finalsatz wurde bis zum Limit des interpretatorisch Machbaren getrieben, Wahnsinn! Überhaupt die Dramaturgie des zweistündigen Vortrags!
Ganz programmatisch hatte das 2007 gegründete Ensemble das „ultramoderne“ Streichquartett Nr. 4 Sz 91 von Bela Bartok ins Zentrum gerückt. Geist und Präzision der Darstellung waren derart stringent, dass man den Mendelssohn-Bartholdy beinahe „fortgespült“ glaubte und gar nicht recht dazu kam, über Tod und Passion nachzudenken! Nicht umsonst nennt man Bartoks Quartette die bedeutendsten nach Beethoven.

Wagemutige Experimente in der Tonalität, schneidende Dissonanzen, ein wild gehämmerter Rhythmus schienen einen Kraftprotz entfesseln zu wollen – das sollte zur Passionszeit nicht gehören? Leise huschende Sentenzen dann im dritten Satz, Kirchenton und Orgelklang werden imitiert.

Nicht mehr von dieser Welt der vierte, der aus einem Quartett von Pizzicati besteht. Beim letzten hat sich der Komponist und Musik-Ethnologe ein paar Anleihen aus dem Orient genehmigt. Wo bitte waren Freund und Leid da nicht? Und wie dankbar das Publikum auf die Neue Musik reagierte. Mehr davon!

Zuletzt Franz Schuberts Streichquartett Nr. 14 in d-Moll, „Der Tod und das Mädchen“ D 810. Auch dieser Vortrag war mehr mentales Grunderlebnis als nur Konzert. Die Musiker nahmen ihn sozusagen „persönlich“, und so entstand eine glaubhafte, spürbare Musik von elementarer Gewalt. Das Glück schwindet, Meister Hein galoppiert im Crescendo heran, in hohen Tönen klagt das Cello (Karol Marianowski auf einem hundertjährigen Instrument) zum kunstvollen Vibrato zweier Super-Violinen (Wojciech Koprowski, Aleksandra Bryla) – Meccorre hält diese Spannung aus, die Kraft bleibt bis zur letzten Note lebendig, und tief. So soll es auch sein: das Wohlnotierte auf nie gehörte Weise spielen – und hören, nicht nur genießen!

Gerold Paul

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